Bohemien, Dramatiker und Ende 1989 plötzlich Präsident: Der tschechische Europäer Václav Havel gestaltete die Geschichte des Kontinents in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mit.
Andrea Sedláčková erzählt Havels geradezu romanhaftes Leben, gestützt auf einen reichen Fundus von Archivmaterial. Es ist eine Geschichte mit dramatischen Höhen und Tiefen, und gleich mehreren Sternstunden europäischer Geschichte.
Obwohl die 1967 geborene Regisseurin aus der Bewunderung für ihren Protagonisten keinen Hehl macht, spart sie ganz selbstverständlich auch umstrittene Aspekte nicht aus. Sie zeigt einen zutiefst menschlichen Helden, der darauf besteht, dass es sich lohnt, auch in aussichtsloser Lage für seine Ideale zu kämpfen. Seine Klugheit und Humanität hinterlassen auch mehr als zehn Jahre nach seinem Tod einen ungebrochen tiefen Eindruck.
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Václav Havel (1936-2011) ist zweifellos eine der international berühmtesten Persönlichkeiten seiner tschechischen Heimat aller Zeiten. Der Dramatiker, Bohemien und ehemalige politische Häftling wurde Ende 1989 an die Spitze der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR) katapultiert. Von Kindheit an war er in der gesamteuropäischen Kultur verwurzelt. Auch in der Zeit, als die Teilung des Kontinents unüberwindlich schien, wirkte seine Arbeit in ganz Europa.
Während der sowjetisch-kommunistischen Herrschaft über Osteuropa verbrachte Havel mehrere Jahre hinter Gittern. Angebote für eine Ausreise Richtung Westen lehnte er ab. Noch im Januar 1989 steckte ihn das Regime erneut ins Gefängnis. Internationaler Druck bewirkte jedoch schon im Mai seine Freilassung. „Je mehr wir ihn verfolgen, umso mehr wird er zum Helden,“ stellte der letzte kommunistische Führer der ČSSR frustriert fest.
Der dramatische Umbruch in der Welt des Ostblocks nahm in der ČSSR erst nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 Fahrt auf. Doch die Bilder von Massendemonstrationen gewaltigen Ausmaßes zeigen eindrücklich, wie machtvoll auch die Menschen in der ČSSR ins Offene drängten. Der Druck der Straße bewirkte am 29. Dezember 1989 einen politischen Bruch. Die konkrete Form, die diese Umwälzung annahm, stellt jedes absurde Theaterstück in den Schatten: Die noch unter diktatorischen Verhältnissen konstituierte kommunistische Nationalversammlung wählte ihren Erzfeind Havel am 29. Dezember einstimmig (!) zum Präsidenten der CSSR. Der Gewählte verfolgte seine Wahl in einer Live-Übertragung am Bildschirm.
Einen wohl noch größeren Triumph erlebte Havel achtzehn Monate später. 1968 hatte er sich gegen die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings aufgelehnt. Damals marschierten Truppen des von Moskau aus gesteuerten Militärbündnisses namens Warschauer Pakt in die CSSR ein. Sowjetische Panzer beendeten die Reformbestrebungen unter Alexander Dubcek.
Ebenjener Warschauer Pakt, der die Hoffnung auf einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz zerstörte, wurde unter Havels Leitung am 1. Juli 1991 aufgelöst. Eine Sternstunde, wie die friedlich gebliebene Leipziger Demonstration vom 9. Oktober 1989 und der Fall der Mauer am 9. November.
Überraschenderweise ist Andrea Sedláčkovás die bislang einzige filmische Biografie, die das geradezu romanhafte Leben Vaclav Havels nachzeichnet. Die 1967 geborene Regisseurin hat Havel nicht selbst mit der Kamera begleitet, sondern schöpft für ihren Film aus einem reichen Fundus vorgefundenen Materials. Dazu gehören nicht nur zahlreiche Interviews mit dem sprachgewaltigen Havel, sondern auch atmosphärisch reiche Bilder, die bis vor Havels Geburt zurückreichen - dem Privatarchiv der Familie Havel sei Dank. Sogar ein Tonfilmdokument aus Havels Kindheit hat sich erhalten. Der Grund dafür ist vermutlich, dass die Familie dem Filmgeschäft auf ganz besondere Weise verbunden war: In den 1930er Jahren gründete Havels Onkel väterlicherseits im Prager Vorort Barrandov die bis heute berühmten Film-Studios.
Auch in scheinbar aussichtsloser Lage nicht aufgeben - diese Kernbotschaft des Bürgers Havel ist bis heute hochaktuell geblieben. "Nichts ist schlimmer als Leute, die sagen: Ich kann nichts ändern, es wird sowieso übel ausgehen, was geht mich das an," formuliert Havel in einem Interview. Was er seinen Landsleuten auf dem Höhepunkt des Umsturzes von 1989 zurief, taugt auch heute noch zur Ermutigung: "Die Wahrheit und die Liebe siegen über Lüge und Hass."
Medium erhältlich in:
3 Die Bücherei St. Alexander,
Schmallenberg
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VÁCLAV HAVEL - LIVING IN FREEDOM
Produktion: Christine Camdessus, Serge Gordey, Kateřina Černá, Madeleine Avramoussis, Alena Müllerová; Musik: Quentin Sirjacq; Montage: Boris Machytka; Drehbuch: Andrea Sedláčková; Kamera: David Cysař; Sound Design: Ivan Horák; Regie: Andrea Sedláčková
Frankreich/Tschechien 2014; Ab 6 Jahren; Sprachfassung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch. Untertitel: Englisch; 1 Online-Ressource (71 min); Bild: 16:9 HD
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