Dokumentarischer Roman über die Vergangenheit der "Winzergenossenschaft Krems". (DR) Die Autoren haben auf der Basis von Tagebuchaufzeichnungen, Briefwechsel, Gerichtsbescheiden und anderen Dokumenten die Entwicklung des auch heute noch sehr bekannten Weingutes nachgezeichnet. Die ursprünglichen Besitzer waren Paul Robitschek und August Rieder, die nicht nur geschäftlich, sondern auch privat ein Paar waren. Um 1938 herum ist nicht nur die nahezu offen ausgelebte Homosexualität der beiden für die Umgebung schockierend, sondern mit dem Erstarken der NSDAP wachsen die Resentiments gegen den jüdischen Robitschek. Als die Repressalien und die Anfeindungen gegen ihn zu bedrohlich werden, flüchtet er zuerst nach Triest und dann über Frankreich Richtung Venezuela. Um seinem Freund Rieder weiterhin sein luxuriöses Leben zu ermöglichen, verkauft er kurz zuvor noch das Anwesen an ihn, da er hofft, dass der Betrieb dadurch der "Arisierung" entgehen kann. Während Rieder versucht, den Kaufvertrag noch legalisieren zu lassen, läuft ihm nach dem "Anschluss" aber die Zeit davon und Hitler getreue Herren übernehmen den Betrieb und gründen eine Winzergenossenschaft. Rieder bekommt nur eine geringe Entschädigung, da der Betrieb angeblich durch den "Juden" schon heruntergewirtschaftet war, was natürlich jeglicher Grundlage entbehrte. Rieder war nie ein Geschäftsmann, er hilft gerne, wo er kann und führt auch seinen gehobenen Lebensstil weiter. Als er nach vielen Jahren wieder mit seinem früheren Lebenspartner zusammentrifft, muss dieser erkennen, dass Rieder immense Schulden angehäuft hat und sich dessen nicht einmal bewusst ist. In der Nachkriegszeit kommt es zu einer Entschädigung für die "Arisierung" des Weingutes, aber auch da ist Rieder viel zu gutmütig bei der Verhandlung und bekommt somit nur einen geringen Teil, der die Schulden nicht abdecken kann. Der Einstieg in das Buch ist mir nicht leichtgefallen. Der sprachliche Duktus war anfangs gewöhnungsbedürftig. Viele Passagen sind sehr detailliert beschrieben und die Linie zwischen Dokumentation und Fiktion ist nicht immer gut gezogen. In der Summe schätze ich den Roman dafür, dass er ein gutes Sittenbild des politischen Lebens in Österreich ab 1938 bis in die 60er Jahre beschreibt. Der Roman wird durch viele Kapitel mit Überschriften, ein Inhaltsverzeichnis, Quellenangaben und viele Schwarz-Weiß-Fotos ergänzt. Im Vorwort weisen die Autoren darauf hin, dass der Vorstand der Winzergenossenschaft ein Gespräch mit ihnen bezüglich der Arbeit an diesem Buch abgelehnt hat und insgesamt sehr verärgert war, dass man jetzt den Ursprung des Weingutes recherchieren will. Das Erfreuliche ist, dass das Erscheinen des Buches bewirkt hat, dass sich die Winzergenossenschaft nun ihrer Vergangenheit stellt und eine Historikerin beauftragt hat, alles genau zu recherchieren. Auch auf der Homepage beziehen sie heute dazu Stellung. Das ist erfreulich und zeigt was Literatur bewirken kann. Sehr empfehlenswert.
Medium erhältlich in:
2 Öffentliche Bücherei Sitzenberg-Reidling,
Sitzenberg-Reidling
Personen: Herrman, Bernhard Streibel, Robert
¬Der¬ Wein des Vergessens : Roman / Bernhard Herrman ; Robert Streibel. - Salzburg : Residenz Verlag, 2018. - 251 S.
ISBN 978-3-7017-1696-8 fest geb. : ca. € 24,00
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Wein - Buch