Annotation: Ein Achtjähriger flüchtet vor einer schmerzlichen Wahrheit in eine Märchenwelt und lernt am Beispiel Pinocchios, ihr doch ins Gesicht zu sehen. Rezension: Der Titel, den der deutsche Verlag für John Boynes neues Buch gefunden hat, scheint hervorragend gewählt: Einerseits knüpft "Der Junge mit dem Herz aus Holz" an Boynes Erfolg "Der Junge im gestreiften Pyjama" an, andererseits deutet er an, dass der irische Autor in seinem neuen Roman Carlo Collodis "Pinocchio"-Geschiche variiert. Doch im Vergleich zum Original wirkt der deutsche Titel aufgesetzt: Was könnte besser mit Boynes wunderbar lakonischer Art des Erzählens harmonieren als das betont schlichte "Noah Barleywater runs away". Noah Barleywater läuft weg, weil zu Hause eine erschütternde Wahrheit lauert, der der Achtjährige nicht ins Gesicht sehen will. Es ist also eine schmerzhaft realistische Wurzel, der die folgende märchenhaft-phantastische Handlung entspringt. Wenn Äpfel vor Angst zittern und Zeitungen ausführlich davon berichten, obwohl es gerade mal zwei Stunden her ist, dass sich Noah sein Frühstück pflücken wollte, lenkt das hervorragend von allem Schwierigem im "Real Life" ab. Dass ihn seine Begegnungen mit einem stets hungrigen Esel, einem schnell beleidigten Dackel und einem alten Holzspielzeugmacher in einem Haus voller Marionetten auf einem notwendigen Umweg wieder zurück nach Hause führen, kann Noah am Beginn seiner Abenteuer ja noch nicht ahnen. Als Kind sei "Pinocchio" eines seiner Lieblingsbücher gewesen, schreibt John Boyne auf seiner Website. In seinem neuen Roman lässt er Noah immer wieder in den Spiegel schauen, der ihm Pinocchios Leben zeigt, und auf diese Weise erkennen, welchen Fehler er lieber nicht machen soll. Obwohl der Roman bis obenhin aufgeladen ist mit Anspielungen und versteckten Bedeutungen, die in Rückblicken nach und nach enthüllt werden, wirkt er nicht bedeutungsschwer. Boynes mit trockenem Humor fein gewürztes wie nebenbei Erzählen (das Oliver Jeffers wiederum in jeder sorgfältig nummerierten "Abb." widerspiegelt), lässt den Roman schweben und macht die Lektüre so leicht und angenehm, dass man selbst fast die Wurzel vergisst, der die Handlung entspringt - bis man gemeinsam mit Noah wieder darüber stolpert.

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Personen: Boyne, John