Sáenz, Benjamin Alire
Medium der interaktiven Leseförderung Antolin Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums Roman
Buch

Annotation: Ein feinsinniger, poetischer Coming-of-Age-Roman um zwei junge Männer, die um ihre Freundschaft und mit ihrer Homosexualität ringen. Rezension: Der in New Mexico geborene amerikanische Autor Benjamin Alire Saénz, der 2013 als erster ,Latino‘ den renommierten PEN/Faulkner Book Award for Fiction gewann, hat eine gleichermaßen zarte wie mächtige Coming-of-Age-Geschichte geschrieben, der ich drei Eigenschaften sofort anzumerken glaubte: a) dass sie von einem Mann geschrieben ist, b) dass sie von einem besonders empfindsamen Menschen verfasst wurde und c) dass hier ein Lyriker am Werke war. Sáenz, der seine Schriftsteller-Karriere mit dem Gedichtbande „Calendar of Dust“ (1991) begonnen hat, erzählt die bewegende Selbstfindungsgeschichte der beiden jungen Männer Dante und Aristoteles, ihren gleichermaßen aufreibenden und aufregenden Prozess des Mannwerdens, ihre Entdeckung der Sexualität, ihre sich wandelnde und neue Grenzen auslotende Auseinandersetzung mit ihren Eltern und Geschwistern. Ich halte im Allgemeinen wenig von genderspezifischen Zuschreibungen wie „weiblicher Stil“, „männliches Schreiben“ etc., aber Sáenz‘ nahezu makellose, glasklare Prosa, in der kein Wort zu viel steht, in der dem Ver-Schweigen, der Stille und dem Unausgesprochenen Räume gestellt werden, und die tendenziell wortkargen lakonischen Dialoge zwischen den beiden Freunden, in denen Wesentliches zwischen den Zeilen gesagt wird und mitklingt, entspricht für mich einem männlich wirkenden Kommunikationsstil. Der weite Schriftsatz des Buches und die großzügige Aufteilung der Seiten untermalen die besonderen Eigenschaften von Sáenz‘ Sprache, ihre Luftigkeit und ihr durchdachtes Geformt-sein. Aris und Dantes Erlebnisse könnten auch aufgrund des spezifischen Romanstils besonders geeignet zur Lektüre für Jungen und junge Männer sein und ihnen als Identifikationstext und -ort dienen – nicht nur denen, „die lernen mussten, nach anderen Regeln zu spielen“: Ihnen widmet der Autor das Buch. Sáenz selbst hat sich erst in fortgeschrittenem Alter als homosexuell geoutet und sein Schreiben in Interviews als wichtigen Prozess in der Auseinandersetzung mit diesem Lebensthema charakterisiert. „Was ist das Ding in unserer Magengrube, das wir Sehnsucht nennen?“ Die Frage stellt Sáenz als Vor-Zitat vor den ersten Teil seines Romans. In der Tat ist kaum eine Zeit im Leben von so bohrender, verzehrender, auch schmerzhafter Sehnsucht geprägt wie die Pubertät. Sehnsucht nach Liebe, nach (starken) Gefühlen, nach Grenzüberschreitungen, nach Geborgenheit und Freiheit, nach Ausbrechen und Ankommen. Nach Selbst-Erkenntnis. Sáenz‘ Jugendroman schildert die Freundschaft zweier jugendlicher Außenseiter: Der verschlossene, schwermütige Aristoteles, der darunter leidet, dass sein großer Bruder im Gefängnis ist, und der sich fremd fühlt in seiner eigenen Familie – mit zwei Schwestern, die viel älter sind als er und einem in sich gekehrten Vater, der im Vietnam-Krieg gekämpft und sich davon nie richtig erholt hat – freundet sich eines Tages mit dem offenen, lebensfrohen, selbstbewussten und sensiblen Dante an, der in einer gefühlvollen und intellektuellen Familie aufwächst, in der offen miteinander gesprochen und gelacht wird. Die beiden jungen Männer durchleben zwei lange heiße Sommer miteinander, entfremden sich und kommen sich wieder näher, setzen sich kritisch mit ihrer mexikanischen Herkunft auseinander, jobben, lesen Gedichte, betrachten Gemälde, zeichnen, fahren nachts in die Wüste und betrachten den Sternenhimmel. Ari rettet Dante das Leben und stößt ihn gleichzeitig von sich, Dante schreibt Ari von Mädchen-Küssen und Partys und erzählt doch gleichzeitig immer wieder und immer nur von seiner Liebe. Zu Ari! Selten habe ich so mitgefiebert und -gezittert, ob eine Liebe ein glückliches Ende finden wird. Gegen Ende des Romans denkt der junge Mann über seinen Vater: „Langsam begriff ich, dass mein Vater ein behutsamer Mann war. Behutsam mit Menschen und Worten umzugehen, war eine seltene und schöne Gabe.“ Diese Gabe wohnt auch Sáenz‘ Roman inne: die Gabe des behutsamen Wortefindens, die wohl überlegte und sachte Schilderung der beiden jungen Männer und ihrer Familien. Nichts ist hier zu groß, zu laut, zu schrill, zu abgehoben, zu dramatisch. Alles wirkt ästhetisch und zugleich authentisch. Niemals artifiziell! Und wow – was für ein Ende! Aber mehr verrate ich nicht.


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Personen: Sáenz, Benjamin Alire Jakobeit, Brigitte

Standort: BF

Schlagwörter: Klasse-9 Antolin

Interessenkreis: Familie/Freundschaft

Sáenz, Benjamin Alire:
Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums : Roman / Benjamin Alire Sáenz. Aus dem Amerikan. von Brigitte Jakobeit. - Stuttgart : Thienemann, 2014. - 382 S.
ISBN 978-3-522-20192-6 fest geb. : ca. € 17,50

Zugangsnummer: 2024/0220 - Barcode: 00020528
Familie - Signatur: BE 04 Saenz - Buch