Zwischenmenschliche Höhen und Tiefen, Schuld, verborgene Verbrechen, Religion und Rassismus an einem beschaulichen Ort mit düsterer Vergangenheit - mehrbödig, subtil und sozialkritisch. (DR) Nach dem Verlust seiner Familie tritt Leon Berger auf Anraten einer Bekannten eine Stelle als Lehrer in einer nordschwedischen Kleinstadt an. In der dortigen Gesamtschule ist er Nachfolger von Eugen Kallmann, einem Sonderling, ausgezeichneten Pädagogen und hoch integren Menschen. Obgleich dieser unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, stufte die Polizei seinen Tod als Unfall ein. Kurz vor dem Unglück vertraute er seinem Kollegen Igor noch an, dass er einem nie aufgeklärten, bislang unentdeckten Verbrechen im Ort auf der Spur sei. Als Leon andeutungsreiche Tagebuchaufzeichnungen Kallmanns entdeckt, versucht er gemeinsam mit Igor und seiner unglücklich verheirateten Bekannten, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Davon unabhängig befassen sich zeitgleich ein paar ehemalige SchülerInnen mit dem "Fall" Kallmann. Niemand scheint Vertrauen in die damalige polizeiliche Ermittlungsarbeit zu haben. Außerdem kommt es immer wieder zu rassistisch motivierten Unruhen an der Schule und plötzlich gibt es einen weiteren Toten, einen jugendlichen Skinhead. Im Lauf der Zeit gibt es mehr Fragen als Antworten, ob da die neue Kommissarin für Aufklärung sorgen kann? Einmal mehr erweist sich der schwedische Erfolgsautor Håkan Nesser als ausgezeichneter Menschenkenner. Die Kriminalhandlung umfasst einen Zeitraum von 20 Jahren (1995 - 2015) und entspinnt sich langsam und detailreich. Selbst als tatsächlich ein Verbrechen geschieht, bleibt das Erzähltempo gemäßigt. Vor allem fasziniert und fesselt der Roman durch individuell gezeichnete, lebensechte Charaktere, die einfühlsame Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen, die treffende Beschreibung gesellschaftlicher Strukturen in einem kleinstädtischen, politisch fragwürdigen Klima und die raffinierte, multiperspektivische Erzählweise. Kapitel für Kapitel kommt jeweils eine/r der ProtagonistInnen zu Wort, um das Geschehen zu kommentieren. Nur als LeserIn glaubt man, alle wichtigen Hinweise und Fakten zu erhalten, und schlüpft gerne selbst in die Rolle eines Amateurdetektivs. Doch bis zum Schluss bleibt einiges im Dunklen und so manche Frage unbeantwortet. Für LeserInnen, die Gedankenspiele mit Geschehensvarianten schätzen und sich mehr als einen rasanten Krimi erwarten, ist Håkan Nessers wohltuend unblutiger, von Paul Berf stilsicher übersetzter Roman genau das Richtige!

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Personen: Nesser, Håkan Berf, Paul