Die Zahl der nebeneinander existierenden jugendlichen Lebensstile, Subkulturen und Moden wächst explosionsartig. "Marketingstudien der Industrie sprechen inzwischen von über 400 allein in Deutschland existierenden Jugendkulturen." (S. 71) Nach Einzelstudien über junge Rechtsradikale, Skinheads, religiöse und andere Szenen legt Klaus Farin, seit 1989 Leiter des Archivs der Jugendkulturen (www.jugendkulturen.de, sowie www.generation-kick.de) nun eine grundlegende Analyse der jugendlichen Subkulturen in Deutschland vor. Ganz im Sinne der interaktiven Medien findet man im Buch immer wieder Hyperlinks, die auf interessanten Exkursionen zum Ausgangspunkt zurückführen oder mit dem Hinweis "Sollte Sie dieses oder jenes augenblicklich nicht interessieren, blättern Sie weiter zum Haupttext auf S. xy" übersprungen werden können. Der Tradition soziologischer Forschung folgend, richtet sich Farins Kritik zunächst gegen die Jugendforschung im Allgemeinen, denn "der dominierende pädagogische Impetus der deutschen Jugendforschung, auch der soziologischen, führt dazu, dass Jugendkulturen nicht zunächst wertneutral und neugierig-offen erforscht werden, sondern die Einschätzung und Bewertung der untersuchten Kulturen von Anfang an eine zentrale Bedeutung gewinnt: Das Ziel bleibt die Integration in die Normenwelt und Umgangsformen der zumeist kulturell vollkommen anders sozialisierten Forschergeneration" (S. 15). Weitaus interessanter und auch wichtiger sei es indes zu eruieren, wie die Jugend wirklich drauf ist. Zunächst gilt dieAufmerksamkeit des Autors der Geschichte der "Jugend" - von der "Wandervogel-Bewegung" in der Weimarer Republik über "Die Fünfziger" bis zuden Hippies und einiger älterer Subkultur-Modelle - etwa R. Schwendters "Theorie der Subkultur" oder den Studien des CCCS (Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies). Farin geht davon aus, dass Jugendliche zwischen dem 11. und 19 Lebensjahr im Schnitt sechs bis acht "Kulturen" durchlaufen und häufig zwei oder drei Jugendkulturen und -szenen parallel angehören. In Deutschland, so der Autor, existieren heute mehr als 600 lebendige Jugendkulturen, sogenannte "artificial tribs". Deshalb weigert ersich strickt, eine Vorhersage zur Zukunft der Neuen Bewegungen im Jugendsektor zu treffen. Es ist ihm schlicht und einfach nicht möglich, diese chaotische Vielfalt auf eine Zukunftsprognose hin zu trimmen. Denn solche Prognosen "dienten auch schon im letzten Jahrhundert weniger dem Aufspüren zukünftiger Entwicklungen als der lukrativen Vermarktung und Promotion der eigenen Produkte und Person" (S. 206). Insgesamt haben die differenzierten Lebenswelten von Jugendlichen im 21. Jahrhundert überhaupt nichts gemein mit den "Schubladisierungsversuchen" von universitären Schreibtischforschern, kommerziellen Marktschreiern, Trendgurus und anderenprofessionellen Boulevard-Wissenschaftlern, meint Farin in deutlicher Abgrenzung von anderen AutorInnen. Farin versteht Subkultur als Teil einerkonkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertordnungssystemen, Präferenzen, Bedürfnissen usw. ineinem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden Institutionen oder der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet. Im einzelnen geht er dann auf Punks, Skinheads, Hooligans, Gothics, Jesus Freaks, Satanisten, Autonome und Neonazis ein. Den Abschluss bilden Ermutigungen für die LeserInnen, das Buch nicht nur zu konsumieren, sondern zu kritisieren oder Gegenmilieuszu organisieren bzw. die Mitarbeit in entsprechenden Gruppen zu erwägen. Zuguter Letzt also doch eine Bewertung aus Sicht eines distanzierten Erwachsenen? *Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen* Alfred Auer
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Farin, Klaus: generation-kick.de : Jugendsubkulturen heute / Klaus Farin. - München : Beck, 2001. - 235 S. : Fotos sw. - (Beck'sche Reihe 1407) ISBN 978-3-406-45947-4 Eur 9,90
Zugangsnummer: 2007/3236 - Barcode: 00000188
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