Mowll, Joshua
Operation Taifun
Buch

Die spannendsten Bücher, die ich in den letzten 10 Jahren gelesen habe - und am Ende steht nichts als der Wunsch, dass die Fortsetzung bald erscheinen möge, denn beide Bücher brechen an der aufregendsten Stelle ab. Schon von der Erzähltechnik her ist die Geschichte ein kleines Meisterwerk. Im Jahr 2002 hatte der Verfasser, Joshua Mowll, das Archiv seiner Tante Rebecca geerbt, in dessen Unterlagen sie minutiös die Ereignisse in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Shanghai festgehalten hat. Dies bildet die Rahmenhandlung oder besser: den Ausgangspunkt, die Rechtfertigung für die Veröffentlichung des unglaublichen Abenteuers, das ohne diese (fiktive) Stütze in weiten Teilen bloßes Fantasy-Abenteuer bleiben würde. So aber verleiht Joshua Mowll dem Geschehen den Anstrich völliger Realität und Historizität; der Verlag hat ein Übriges ge-tan, den Büchern den Charakter einer geheimen Akte zu verleihen. Stempel und Siegel, die die Vertraulich-keit bestätigen, alte Schwarzweißfotos der betreffenden Personen oder Gebäude, Zeichnungen, Kartenmate-rial, wissenschaftliche Entwürfe von Erfindungen, Grafiken vom Bau geheimer Waffen oder Schiffskonstrukti-onen, alte vergilbe Zeitungsausschnitte - die Fantasie des Autors bei der Dokumentation der Archivalien seiner Tante kennt keine Grenzen. Erzählt wird die Geschichte der Geschwister Rebecca (Becca; eben die besagte Erbtante) und Douglas (Doug) Mackenzie, die - nachdem ihre Eltern ein Jahr lang in China verschollen (oder gar tot?) sind - zu ihrem Onkel auf sein Schiff kommen, damit dieser ihre etwas dürftige Erziehung in die Hand nimmt. Auch diese Geschichte wird nicht einfach kontinuierlich erzählt, sondern setzt sich zusammen aus den fortlaufen-den Berichten eines allwissenden Autors und eingeschobenen Tagebucheinträgen Beccas, die den Leser die Ereignisse unmittelbar und direkt erleben lassen, besser, als es ein Dritter erzählen könnte. Zusammen mit dem überreichen Bildmaterial, das auf jeder Seite zu finden ist und das den authentischen Charakter von Personen und Ereignissen zu verbürgen scheint, ergibt dies eine unglaublich spannende Geschichte, die den Leser voller Neugier auf den künftigen Fortgang der Geschehnisse zum Weiterlesen antreibt und ihn zugleich mitnimmt auf kleine Stückchen einer Reise in die Vergangenheit, die sich ihm - dem Leser - in dem gleichen Maße erschließt wie den Geschwistern. Die Handlung entrollt sich also nicht kontinuierlich; Personen tauchen auf und gehen (scheinbar!) aus der Geschichte wieder verloren, Geschehnisse treten ein und bleiben (scheinbar!) ohne jeden Bezug zum Haupt-strang der Erzählung, Zeitebenen und Handlungsebenen verflechten sich eng und unauflösbar, erhalten im Laufe der fortschreitenden Geschichte aber ihren Platz im Gesamtgeschehen. Eine Fülle von Rätseln tut sich auf, von denen einige bis zum Ende des Romans ohne Antwort bleiben. Da ist der Onkel, Kapitän der Expedient, eines Forschungsschiffes, das aber offenbar etwas anderes als Meeresfor-schung betreibt - wäre es sonst mit geradezu futuristischen Waffen ausgestattet? Es scheint, als arbeite der Onkel im Auftrag einer geheimnisvollen Spezialistengilde, die großes Getue um einen Stoff namens "Tochter der Sonne" macht, der durch seine physikalisch-chemischen Eigenschaften so etwa eine Wunderwaffe liefern kann. Und welche Rolle spielen in diesem Prozess die verschwundenen Eltern? Doug und Becca spüren, dass hinter alledem mehr steckt, als man ihnen bereit ist zu sagen. Fest entschlos-sen, das Geheimnis um ihre Eltern zu lüften, widersetzen sie sich den Befehlen des Onkels, werden von die-sem nach England zurückgeschickt. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wollen sie an Bord zurückschleichen, werden aber von grausamen Gegnern gefangen gesetzt und treffen in einem grandiosen Endkampf wieder mit dem Onkel zusammen. Wenngleich diese chinesische Piratenepisode einen befriedigenden Abschluss findet, bleibt das Gesamtge-schehen mit dem Rätsel um das Schicksal der Eltern davon unberührt. Mit der Warnung vor einem aufzie-henden Taifun findet der Band sein vorläufiges Ende - und eben damit beginnt Band 2, mit einem nahtlosen Übergang, der den Leser mitten in den Taifun wirft. Wieder mischen sich Erzählstücke eines ungenannten Erzählers - wohl Zusammenfassungen von Joshua Mowll anhand der Archivalien seiner Tante - mit den Tagebucheinträgen Rebeccas, beide angereichert mit Zeichnungen aus Dougs Skizzenbuch, auch diese stets säuberlich kartiert und registriert. Dazwischen wieder Klappkarten in Farbe, die den Eindruck strengster Vertraulichkeit und Geheimhaltung erwecken, mit maß-stabgerechten Zeichnungen, zur Veröffentlichung freigegeben, samt Aktenzeichen und allen erforderlichen Stempeln - die Illusion ist perfekt. Sachliche, fachlich fundierte Anmerkungen und Kommentare stützen als nur eines von vielen Mitteln den Eindruck der Objektivität, technisch ausgeklügelte Konstruktionszeichnungen mit unglaublichen Einzelheiten und reiches "authentisches" Fotobildmaterial im Anhang verbürgen scheinbar die Wahrheit. Nahtlos fügen sich diese Dinge in das Geschehen, das in Spannung und Undurchsichtigkeit dem ersten Band in nichts nachsteht. Der Taifun hat die Expedient schwer beschädigt, doch kann der Kapitän eine Insel anlaufen und Schiff und Mannschaft unauffällig in einer verborgenen Bucht verstecken. Das erweist sich als eine kluge Maßnahme, denn wie sich bald zeigt, ist die Mannschaft dort nicht allein. Und stärker noch als in Band 1 nimmt ein un-durchsichtiges Verwirrspiel seinen Lauf, dessen einzig feste Komponenten Becca und Doug sind, vielleicht noch gestützt von den Zwillingen Xu und Xi. Nicht mal der Onkel kann von den Verdachtsmomenten ausge-schlossen werden, und je mehr passiert, desto sicherer sind die Geschwister, dass er ihnen Grundlegendes über die Eltern verschweigt. Was die beiden dann mit den Mitgliedern der undurchschaubaren Mitglieder der Gilde bei der Suche nach den Gyrolabien erleben, steht in Spannung und Einfallsreichtum den Ideen eines Da Vinci Codes in keiner Weise nach. Auch hier ist es ein Gemälde, das den Fall schließlich erhellt - und verwirrt. Die Geschwister nehmen die Suche auf und der Leser begleitet sie atemlos auf ihren Irrgängen, ihren heimli-chen Expeditionen, bangt mit ihnen um ihr Leben - und zieht die gleichen (falschen) Schlussfolgerungen. Auch hier: Kaum glaubt man verstanden zu haben, wie die Sache läuft und wer auf welcher Seite steht, da tritt etwas ein, das alles ad absurdum führt und einen wieder von vorn beginnen lässt. Am Ende klären sich die Fronten und die Weichen werden gestellt für Band 3: Während die Erwachsenen den Sonnenuntergang genießen, äußert der Kapitän die Vermutung, dass die Eltern noch am Leben sind und schlägt vor, sich auf die Suche zu machen. Doch um keine Hoffnungen zu wecken, werden Becca und Doug wieder einmal nach Hause verbannt zu Tante Margaret ... Ganz große, spannende und intelligente Unterhaltung für Jungen und Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren.

Altersempfehlung: ab 14 Jahren.


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Serie / Reihe: BAND 2

Personen: Mowll, Joshua

Schlagwörter: Antolin Klasse-7

Interessenkreis: Jugend

Mowll, Joshua:
Operation Taifun / Joshua Mowll. Dt. von Peter Knecht. - Hamburg : Dressler, 2009. - 276 S. : zahlr. Ill. - (Band 2)
ISBN 978-3-7915-1361-4 fest geb. : ca. Eur 20,50

Zugangsnummer: 2019/0149 - Barcode: 2-2189203-3-00004755-5
Kinder-/Jugendbereich - Signatur: 3.6 - Buch