Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2019 (Longlist) und den den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2019 (Shortlist), Alfred-Döblin-Preis
HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt.
HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem Angela Merkel die Grenzen öffnen ließ und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.
HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. HERKUNFT ist traurig, weil Herkunft für mich zu tun hat mit dem, das nicht mehr zu haben ist.
In HERKUNFT sprechen die Toten und die Schlangen, und meine Großtante Zagorka macht sich in die Sowjetunion auf, um Kosmonautin zu werden.
Diese sind auch HERKUNFT: ein Flößer, ein Bremser, eine Marxismus-Professorin, die Marx vergessen hat. Ein bosnischer Polizist, der gern bestochen werden möchte. Ein Wehrmachtssoldat, der Milch mag. Eine Grundschule für drei Schüler. Ein Nationalismus. Ein Yugo. Ein Tito. Ein Eichendorff. Ein Sasa Stanisic.
Autobiografisch geprägte Erzählung über das Verlassen der Heimat und das Beheimaten am neuen Ort.
Als Jugoslawe geboren flieht der junge Ich-Erzähler als Sohn eines Bosniers und einer muslimischen Mutter aus seiner zersplitterten Heimat nach Deutschland, wo er in Heidelberg landet. Das Einleben dort ist nicht frei von Demütigungen, Scham und der Sorge, nicht wirklich aufgenommen zu werden. Feindlich gesonnene Inländer verursachen Angst und machen den jungen Integrationswilligen erfinderisch, um sich zu assimilieren. Die qualifiziert ausgebildeten Eltern nehmen Hilfsjobs an, um sich über Wasser zu halten. Der literarisch sensible Junge tastet sich an die deutsche Sprache genauso vorsichtig heran wie an den Hort der deutschen Romantik, der Ausländern nichts Gutes verheißt, und verliebt sich in beide. Identität schafft beides: Das Wissen um die Fremdheit in einem Land und das sich Bemächtigen der fremden Sprache, wofür der Autor im Epilog ausdrücklich Eichendorff dankt. Die Rahmenhandlung erzählt von der im Land gebliebenen dementen Großmutter, die Erinnerungsquelle und Gedächtnisverlust zugleich ist. Das Widersprüchliche zieht sich als übergreifendes Motiv durch diese große autobiografische Erzählung, die am Ende noch ein interaktives Spiel für die Leser*innen bereithält. - Stanisic bedient sich der deutschen Sprache in Satzbau, Rhythmus, Wortwahl und Feinsinnigkeit virtuos. Das Grausame wie das Fröhliche vermag er spitzfindig und erhellend in Worte zu fassen, ohne dass man ein Rezept erkennen könnte - er beherrscht zu viele Register. Das Lesen ist wie eine äußerst anregende Unterhaltung mit einem geist- und witzreichen Gesprächspartner, dem es leichtfällt, über die Buchseiten hinweg Beziehung aufzubauen. Seine Sprache ist ein Fest. Großartig
Weiterführende Informationen
Personen: Stanisic, Sasa
Standort: Hauptstelle
R
Stan
Stanisic, Sasa:
Herkunft / Sasa Stanisic. - 1. Aufl. - München : Luchterhand, 2019. - 355 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-630-87473-9 fest geb. : 22,00
r - Roman für Erwachsene