Mina, Tochter des Bäckermeisters und sadistischen Familienpatriarchen August Stutz, und die Enkelkinder Vera und Max haben diesem ein schlimmes Erbe zu verdanken. Die Gewalt des Patriarchats formt ihr Leben und jeder versucht auf seine Weise, dieser bedrückenden Erbschaft zu entgehen. Hausfrau Mina muss sich als tief Verwundete erkennen, als sie noch einmal die Briefe liest, die sie in der Kriegs- und Nachkriegszeit ihrem im Ausland arbeitenden Mann Oskar schrieb. In den Briefen spiegelt sich ihr harter Arbeitsalltag wider, vom autoritären Ehemann wurde sie gleichzeitig permanent erniedrigt. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gehorcht, zuerst dem Vater, dann dem Ehemann. Und sie hatte geschwiegen, als Oskar sogar die eigene Tochter missbraucht hatte, was diese ihr nie verzieh. Vera, Minas Nichte, erlebt in ihrer Jugendzeit in Schaffhausen auch keine Liebe, sie studiert später in Basel und entflieht der Enge des Lebens in der Schweiz. Ihre Mutter Hildi hatte geschwiegen, als sie als junges Mädchen missbraucht wurde, und dies erst im hohen Alter, als sie bereits unter Demenz leidet, Vera gestanden. Max, der Sohn der anderen, in Amerika lebenden Tante Nelly, der nach der Scheidung seiner Eltern zurück in die Schweiz geschickt und von Mina aufgenommen wurde, war in der Familie nur geduldet. Irgendwann entfloh er der lieblosen Pflegefamilie. Als Helikopterpilot erlebte er in Vietnam die Gewalt des Krieges und kehrte traumatisiert in die USA zurück. - Der Roman dreht sich darum, wie man mit seiner Vergangenheit umgeht und wie man dieser entkommen kann. Die Schweizer Autorin zeichnet auf eindrückliche Art die tiefsten Abgründe des Lebens und versteht es ausgezeichnet, die Probleme in ihrer zeittypischen Verflechtung erzählend zu vergegenwärtigen. Ein spannender Roman, der auf nachdenklich stimmende Weise von den schwierigen Orientierungsversuchen und verlorenen Hoffnungen der Menschen in unserem Jahrhundert erzählt,Textquelle SMB
Personen: Alioth, Gabrielle
Alioth, Gabrielle:
¬Die¬ Überlebenden / Gabrielle Alioth. - Zürich : Oesch Verlag, 2021. - 267
ISBN 978-3-03-925015-8 fest geb. € 27,80
Schöne Literatur - Signatur: SL Alio - Romane