Todd Hasak-Lowys 655 Seiten starke Sammlung von Listen, die zusammen das Mosaik eines Teenagerlebens bilden, beginnt mit „4 widersprüchliche[n] Regungen in Darren Jacobs’ Brust“, während der gerade dabei ist, eine „Sie-beide-Geschichte“ anzuzetteln: 1. seiner Furcht, sich auf Zoey Lovell einzulassen, die an seiner Chicagoer Highschool zu den „Vollversagern/Kiffern/Kriminellen“ gehört, aber, wie Darren vermutet, „vielleicht die traurigste Person der ganzen Schule ist, noch trauriger als er selbst;“ 2. seiner Neugier auf das, was geschähe, wenn er für einmal kein braver Junge wäre; 3. dem Wunsch, von Zoey geküsst zu werden und 4. der Angst vor dem Kummer, „den so ein „Sie beide“ verursachen kann“. Am Vortag hat sein Vater ihm eröffnet, dass er schwul ist; bald wird die Mutter beichten, dass sie nach Kalifornien ziehen will, um neu anzufangen. Der idealisierte ältere Bruder entpuppt sich als Mensch mit vielen Schwächen – der Lebensgefährte des Vaters dagegen als „cooler Typ“, der Darrens Liebe zur Musik teilt. Und nicht zuletzt kämpft Darren mit seinen hartnäckigen Gefühlen für die komplizierte Zoey, deren Blick ihm suggeriert hat, „dass zu ihnen, zu diesen Augen, eine ganze, vollständige Person gehört“. Dass Hasak-Lowy all die irrsinnig großen Gefühle, Verletzungen und Konfrontationen der Ich- und Du- und Wir-Findung komplett in stilistisch heterogensten Listen abhandelt, irritiert zunächst. Unversehens aber fügen sich diese Listen zur einzigartigen Erzählstimme: Gut verpackt zwischen ironischen und saloppen Einträgen sprechen viele Punkte direkt von Darrens Ängsten, Verletzungen und Sehnsüchten. Zusammen mit den Leerstellen „(Personen in der Schule, von denen Darren glaubt, er könne mit ihnen über das reden, was sein Dad ihm gerade mitgeteilt hat)“ und einer Flut scheinbar banaler Informationen bilden sie die Wendeltreppe in ein komplexes Innenleben. Darren „(1. fünfzehn Jahre alt, 2. ein Meter neunundsechzig, 3. 82 Kilo (...) 9. Rechtshänder (...), 11. jüdisch, 12. Jungfrau)“ streift, anders als erhofft, in den sieben Monaten der erzählten Zeit sein altes Ich nicht ab, „wie man aus einem Schlafsack herauskriecht“. Aber wo ihm die Liste als Erzählform erst vor allem dazu dient, Fakten zu präsentieren, anstatt etwas von sich preiszugeben, entdeckt er nun neue Möglichkeiten, mit anderen in Dialog zu treten – und gerade dabei auch mal von seinen scharfsinnigen Beobachtungen abzulassen, um für sich und aus sich selbst heraus zu sprechen.
Personen: Singelmann, Karsten (Über.) Hasak-Lowy, Todd
Hasak-Lowy, Todd:
Dass ich ich bin, ist genauso verrückt wie die Tatsache, dass du du bist : ein Roman in Listen / Todd Hasak-Lowy. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2016. - 654 S. - Aus dem amerikan. Engl. von Karsten Singelmann
ISBN 978-3-407-82171-3 fest geb. : ca. Eur 19,50
Erzählungen - Signatur: JE Hasa - Buch: Kinder/Jugend