Liao, Yiwu
Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch Geschichten aus der chinesischen Wirklichkeit
Buch: Sachbuch

30 erschütternde Sittenbilder aus dem chinesischen Alltagsleben vor dem Hintergrund der gängigen Repressionen in der Volksrepublik China. (EL) Gleich im Vorwort nennt der Autor seine vier Lehrmeister: Es sind dies das Gefängnis, das er für ein regimekritisches Gedicht vier Jahre lang ausfasste, dann der Hunger, das "Schwarzwohnen" und die Obdachlosigkeit. So wurde aus ihm, dem Dichter, ein Chronist, der "Geschichten aus der chinesischen Wirklichkeit" erzählt, wie es im Untertitel heißt. Die titelgebende Alltagsgeschichte ist wie alle anderen aus Interviews mit Menschen entstanden, die wie er selbst am Rand der chinesischen Gesellschaft leben. So erzählt er z.B. die Lebenslinien einer Dongdong-Tänzerin, die in einer Bar in einem alten Luftschutzbunker als Prostituierte arbeitet. Als ihre Mutter an Krebs erkrankte, konnte die Familie irgendwann das Geld für die Behandlung nicht mehr aufbringen. Da stieß der älteste Bruder die Kranke aus einem Klinikfenster und sprang selbst in den Tod. Zhou Bandao, der Sichuan-Koch, erklärt, warum er sein Gewerbe aufgegeben hat: "Ganz am Anfang hat hier eine Schweinsstelze einen Kuai gekostet, heute kostet sie das Zehnfache." Und fügt noch einen politischen Seitenhieb hinzu: "Sichuan-Gerichte sind wie korrupte Beamte, sie gehen mit der Zeit und verkommen." In Form eines verdichtenden Journalismus porträtiert Yiwu u.a. die Lesbierin Xiaoling, den Säufer Gao Ma und seine gescheiterten Ehen oder die Vorlieben von Chi Fu, der nicht nur Affenhirn, sondern auch Plazenta und Embryos isst, weil er sich dadurch ein längeres Leben erhofft. Solche Beschreibungen stoßen hart an die Grenze des Erträglichen. Der Autor gibt schließlich Antwort auf die unausgesprochene Frage, wie man überhaupt in einer solchen frustrierten, rücksichtslosen, brutalen, demoralisierten und exzessiv gewalttätigen Gesellschaft überleben kann: "Wenn man Chinese sein will, muss man Nerven wie Drahtseile haben, Knochen aus Eisen und eine Seele, der kein Gift der Welt etwas anhaben kann. Erst dann kommt man gut über die Runden." Ein aktuelles politisches Lehrstück des 21. Jahrhunderts, das mehr als nachdenklich stimmt.


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Personen: Liao, Yiwu Hoffmann, Hans Peter (Übers.)

Schlagwörter: China Alltag Gesellschaft Lebensbedingungen Autor <China>

Liao, Yiwu:
¬Die¬ Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch : Geschichten aus der chinesischen Wirklichkeit / Yiwu Liao. - Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2013. - 490 S. - Aus dem Chines. von Hans Peter Hoffmann
ISBN 978-3-10-044816-3 fest geb. : ca. € 25,70

Zugangsnummer: 0022050001 - Barcode: 0000419154
Biographische Sammlungen - Signatur: BI.A Liao - Buch: Sachbuch