Der Augenzeugenbericht eines Tsunamiüberlebenden als Versuch, mit einem Trauma umzugehen. (NG) Eigentlich wollte die Familie Haslinger den vermeintlich letzten Urlaub, an dem auch noch die kurz vor der Matura stehenden Kinder teilnehmen, in der Karibik verbringen. Doch begeisterte Freunde haben sie auf die Idee gebracht, nach Thailand, auf die Phi Phi Islands zu fliegen. Josef Haslinger hat bewusst keinen Roman geschrieben, auch wenn er immer wieder danach gefragt wurde. Der Stoff wäre da, fragt sich, ob das nicht doch pietätlos wäre? Er hat sich für einen Bericht entschieden und folgt im Grunde der Chronologie der Ereignisse, bittet seine Kinder Sophie und Elias - interessanterweise nicht auch seine Frau Edith - um ihre Erinnerungen, die in seinen Bericht eingebunden sind. Er holt aus seinem Gedächtnis alles, was sich bis zur Rückkehr nach Wien ereignet hat, erwähnt auch Details, denn plötzlich ist alles wichtig, selbst das Blumenmuster einer Bluse. Ungefiltert erscheinen diese Erinnerungen, es geht nicht um abstrakte Zahlen oder Todesopfer, es geht um einen, der überlebt hat und der im Schreiben irgendwie wieder und noch einmal erlebt, was schon einmal überlebt wurde. Eine Art Therapie. Er stellt sich der Naturkatastrophe, die zur eigenen Katastrophe geworden ist. Und darin ist dieser Bericht unzweifelhaft authentisch und persönlich, bis hin zur intimsten Angst, der Todesangst. Als würde eine Kamera mitlaufen, so detailliert ist der Überlebenskampf unter Wasser dargestellt, die Luft geht auch bei den Lesenden aus und Panik macht sich breit. Später auch Lethargie, als klar wird, es gibt nichts zu tun, als zu warten. Ein Trauma wird man nicht los, ohne es mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten. Der Tsunami war ein Trauma für alle, die ihn überlebt haben. Die Angst vor weiteren Wellen, der Drang zu überleben, die Hoffnung auf Hilfe. Die österreichischen Behörden kommen schlecht weg, noch schlechter die AUA, die lieber mit fast leeren Maschinen zurückkehrte, als österreichische BürgerInnen, die bei anderen Fluglinien gebucht hatten, in die Heimat mitzunehmen. Plötzlich haben sich Sichtweisen verändert, wird der Blick für das Leid anderer offener, mitfühlender, wie nicht zuletzt die abermalige Reise an den Unglücksort und das Ende dieses Berichts deutlich machen. Schreibend wird Josef Haslinger ein Verstehender, lesend werden wir zu Ahnenden, dass hinter den Bildern der Medien noch mehr steckt, nämlich persönliche Schicksale. *bn* Martina Lainer
Personen: Haslinger, Josef
Haslinger, Josef:
Phi Phi Island : ein Bericht / Josef Haslinger. - Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2007. - 203 S.
ISBN 978-3-10-030059-1 fest geb. : ca. Eur 18,40
Sonstige Biographien - Signatur: BI.O Hasl - Buch: Sachbuch