LaCour, Nina
Alles okay
Buch: K&J Erzählend

Marin, die Hauptfigur des neuen Romans der vielfach ausgezeichneten amerikanischen Autorin Nina LaCour, hat ihre Kindheit und Jugend unter der Sonne Kaliforniens verbracht, und findet sich kurz vor Weihnachten alleine in einem leergefegten Studentenwohnheim im eisigen und verschneiten Dutchess County, Upstate New York wieder. Was hat sie dorthin geführt? Und warum graut ihr vor dem Besuch von Mabel, die sie seit dem Sommer, als sie unvermittelt abgereist ist, nicht gesehen hat? Mittels der Technik des analytischen Dramas wird die Vorgeschichte, die die Ich-Erzählerin Marin dazu veranlasste, von der West- an die Ostküste der USA zu emigrieren, Kapitel für Kapitel aufgedeckt und führt die Leser*innen zu einer spannenden, gefühlsintensiven Lebensgeschichte, die mit dem frühen Tod von Marins Mutter beginnt. Seit sie drei Jahre alt ist, lebt Marin deshalb bei ihrem Großvater, liebevoll Gramps genannt, der ihr eine ungewöhnliche Kindheit bereitete, für sie sorgte, mit ihr in freundlicher und friedlicher Koexistenz lebte, aber doch für sich blieb, allein in seinem Zimmer mit seinen Briefen an die geheime Geliebte Birdie, seinem Whisky, Zigaretten und regelmäßigen Pokerrunden. In dieser wundersamen Umgebung wächst Marin heran, wird eine gute Schülerin, liebt Romane und verliebt sich in ihre Freundin Mabel. Hier findet sie Zärtlichkeit und Nähe. Doch während die erste große Verliebtheit sie überflutet, wirft der schlechte gesundheitliche Zustand ihres Großvaters seine Schatten voraus. Als er eines Tages von einem Spaziergang am Strand nicht zurückkehrt und Marin befürchtet, dass ihm etwas zugestoßen sei, dringt sie erstmals in sein Zimmer, sein geheimes Reich ein. Sie entdeckt, an wen die scheinbaren Liebesbriefe eigentlich gerichtet waren und stößt auf eine versteckte Tür zu einer Kammer, die ihre Vergangenheit aufschließt. Im Schock und wütend auf ihren Großvater flüchtet Marin aus dem Haus, das ihr bis dahin Erinnerungen an ihre Mutter verwehrt hatte, und taucht noch vor dem Beginn des geplanten Studiums, nur mit einer Kreditkarte und einem Foto ihrer Mutter im Gepäck, in Dutchess County unter und blockt jeden Kontakt ab. Auch auf Mabels SMS reagiert sie nicht. Die in New York anbrechende Kälte, ihre Mitbewohnerin Hannah und die Struktur des Studiums geben ihr einen ersten Halt, um nicht in den Strudel von Gefühlen von Trauer und Verlust unterzugehen. Mabels Besuch bedroht diesen Schutzraum und bedeutet zugleich eine Befreiung, denn mit ihr gemeinsam arbeitet sie das Erlebte sukzessive auf und beginnt zu erkennen, dass ihr Großvater selbst den Schmerz über den Verlust seiner Tochter bis zu seinem Tod nicht bewältigen konnte. Der Langmut und die Liebe ihrer Freundin Mable und deren mexikanischen Familie, die sie bei sich aufnehmen möchte, schließen Marin den Weg zu ihrer Geschichte auf und in der Umarmung von Mabels Mutter Ana kehrt ihre Erinnerung an die eigene Mutter zurück. Die Intensität des Romans rührt nicht nur aus der emotionsstarken Story, sondern auch aus der besonderen kontrastreichen Komposition: Die Schilderungen der Winterlandschaft, der Kälte, des verlassenen Wohnheims werden im steten Wechsel der Kapitel Erinnerungen an Sonne, Meer und eine fast sorglose Jugendzeit gegenübergestellt. Nur fast sorglos, denn ihre Begeisterung für den Roman äHundert Jahre Einsamkeitô macht deutlich, dass Einsamkeit das Grundgefühl ihres Lebens bildete. Aber Marin liebt auch den Roman äJane Eyreô, der für die Hoffnung auf eine erfüllte Liebe steht, und ähnlich wie in äAlles Okayô eine kluge Frau ins Zentrum stellt, die als Waise einen verständigen Umgang mit Gefühlen von Verlust und Mangel und spätes Glück erreicht. Aber der stark psychologische Roman überspielt damit nicht nur Grenzen zu anderen Texten, sondern auch solche, die gesellschaftliche Normen errichtet haben: In der offenen Darstellung der intensiven Gefühle zweier Mädchen zueinander und der anteil- und aufnehmenden Familie Mabels, die mexikanische Wurzeln hat, kann man auch ein leises Plädoyer für offene Grenzen und eine liberale Gesellschaft entdecken.


Rezension


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Personen: Zeitz, Sophie LaCour, Nina

LaCour, Nina:
Alles okay / Nina LaCour. - München : Hanser, 2019. - 200 S.
Einheitssacht.: We are okay
ISBN 978-3-446-26435-9 fest geb. : ca. EUR 16,50

Zugangsnummer: 0009724001 - Barcode: 2-0000000-8-00150033-2
Erzählungen und Romane - Signatur: JE LaCo - Buch: K&J Erzählend