Krimi der besonderen Art, in dem die 83jährige Charlotte auf ihr interessantes Leben zurückblickt. (DR) Ingrid Noll, die gern "moderne Biederfrau" genannt und in diesem Sinne rezipiert wird, wird, wenn man es so lesen will, ihrem Klischee auch diesmal gerecht. Das Figureninventar besteht aus Charlotte, einer liebenswürdigen 83jährigen Dame, ihrem Neffen Felix, ihrer Enkelin Cora und Hugo, ihrer großen Liebe, der sich nach langen Jahren nun zu einem Besuch ankündigt. Es fehlt nicht das dunkle Geheimnis aus der Vergangenheit, das - eingemauert im Keller - entsorgt werden muß. So weit so gut und für Krimileser/innen oder Noll-Vertraute auch genug. Aber darüber hinaus vermittelt der Roman einen möglichen Umgang mit dem Alt-Sein, ohne jemals in einen weinerlichen Ton zu verfallen. Die Stimme der Charlotte läßt bei der Leserin das facettenreiche Bild einer lebenserfahrenen, interessanten und immer noch an der Welt interessierten, lebendigen und lebensfrohen Frau erstehen. Daß Charlotte alt ist, läßt sich an ihrer weit zurückreichenden Erinnerung ablesen und vor allem an den Einschränkungen wie auch an den Freiheiten, die ein fortgeschrittenes Alter mit sich bringt und über die sie - oft humorvoll - reflektiert. Es ist eine rare und daher umso intensivere Lese-Erfahrung, Alt-Sein jenseits von "Der-alte-Mann-und-das Meer" Klischees beschrieben zu finden.

---

---

Personen: Noll, Ingrid

Schlagwörter: Ironie Liebe

Interessenkreis: Roman