Da war der Fluss, in dem sich die Sonne spiegelte wie in gesplittertem Glas. Da war das Tuten der Schleppkähne, die sich stromaufwärts pflügten, auf dem Deck hängten Frauen Wäsche auf, Kinder winkten und riefen in einer fremden Sprache. Da waren die Nebenarme, still und moorig, beschattet von Erlen und Weiden.
Da war ein Paddelboot, grün und rot wie eine Melonenspalte. Da waren ein rotes Puch-Fahrrad, ausgelatschte Leinenschuhe, Fruits of the Loom T-Shirts und ein schwarz-weißer Adidas Matchsack. Da war en eine Lysol geputzte Schwimmhalle morgens um halb sieben, der scharfe Pfiff aus der Trillerpfeife des Trainers, der fröstelnde Schauer beim ersten Eintauchen in das Chlorblau.
Da waren der Geruch von Lavendelseife, der behutsame Druck der Bürste, bevor sie mein Haargestrüpp in Strähnen teilte und zu einem Zopf flocht. Da war die Anmut ihres schwimmenden Körpers, den sie mit ruhigen, gleichmäßigen Kraulzügen durch das Wasser gleiten ließ. Da war ihr Lachen, da war ihr Stolz.
Da waren seine kräftigen Hände, die Haut weich gegerbt im täglichen Schweiß dick gepolsterter Arbeitshandschuhe. Das waren seine von Tabak und von Fernet geraspelte Stimme, sein weinbrandsüßer Atem an einem Sonntagmorgen nach einer Kartennacht im Café Schwob. Da waren seine Augen, warm wie dunkler Milchkaffee mit einem Schimmer von poliertem Gold.
Amelie Abgott wächst in den 1970er-Jahren in einer beschaulichen Kleinstadt an der Donau auf. Sie weiß genau was sie will: Schwimmstar werden wie ihre Mutter und einen Mann wie ihren Vater. Doch das Idyll entpuppt sich bei näherem Hinsehen als von innen und außen bedroht.
Personen: Lang, Ingrid Maria
DR
Lan
Lang, Ingrid Maria:
Wassermoleküle : Roman / Ingrid Maria Lang. - Wien : Verlagshaus Hernals, 2010. - 289 Seiten
ISBN 978-3-902744-11-1 Fest geb.€ 23,90
DR - Schöne Literatur