Quelle: Unsere Kinder (http://www.unserekinder.at/) Autor: Hannah Fischer; Mir sind nur sehr vereinzelt Bilderbücher bekannt, die sich mit dem heiklen Thema "Reinlichkeitserziehung" befassen. Und wenn, dann meist rund um's Töpfchen und aus der Sicht des Erwachsenen. Ganz anders, nämlich auf das Interesse des Kindes für die Produkte aus seinem Körper eingehend, die Geschichte vom kleinen Maulwurf: Er bekam, als er eines Morgens seinen Kopf aus der Erde streckte, "um zu sehen, ob die Sonne schon aufgegangen war, etwas Rundes, Braunes, das aussah wie eine Wurst, direkt auf seinen Kopf." Er findet dies gemein (Er weiß natürlich genau, um was es sich handelt!) und will wissen, wer diese Schandtat begangen hat, - und beginnt zu forschen, jedes Tier, das ihm begegnet, zu befragen; jedes einzelne versichert ihm, dass es das nicht getan haben könne, denn "Ich mach' so!" (Mit anschließender Demonstration, wie so etwas bei ihm ausschaut.) Diese Erörterung des nach gängigen Vorstellungen "Unaussprechlichen" ist für das kleine Kind interessant und vergnüglich, denn gelegentlich betrachtet es ja auch sein eigenes Produkt mit Interesse und mit einem gewissen Stolz als etwas, was es gemacht hat und das es dem Erzieher quasi als Geschenk überbringt. Erst allmählich wandelt sich diese Haltung unter dem Einfluss der Erwachsenen in Ekel - ein Wandel, der dann die gesellschaftliche Unaussprechlichkeit bedingt (wie auch die vielen Witze und Schmähungen, die zu dem Thema kursieren). Die textliche und graphische Aufbereitung wird dem heiklen Thema ebenso wie dem Alter der Kinder, die angesprochen werden sollten, absolut gerecht. Wort, Schrift und Bild sind genau aufeinander sowie auf die jeweilige Aussage abgestimmt; die Geschichte selbst wird in großer Schrift, das "unaussprechliche" Geschehen in kleiner und eingeklammert dargeboten. Die Illustrationen von Wolf Erlbruch wirken modern-plakativ im guten Sinn des Wortes. - Durch die Charakterisierung der Unterschiede sowie durch den mimischen und gestischen Ausdruck der einzelnen Tiere tragen sie zum pfiffigen Unernst der Geschichte bei. Auch auf die Beibehaltung der relativen Größenverhältnisse der Tiere durch den Illustrator sei hingewiesen, weil das Buch auch noch eine versteckte emanzipatorische Botschaft enthält: Das Unglück ereilt ein kleines, eher wehrloses Wesen, und die Fliegen, die ihm als einzige helfen können, den Missetäter zu eruieren, gehören ebenfalls nicht gerade zu den geachteten Tieren! Dass die Rache des Kleinen - "ein kleines schwarzes Würstchen direkt auf den Hundekopf" - den großen Metzgerhund nicht sonderlich beunruhigt, für den kleinen Maulwurf aber eine große Befriedigung darstellt, befriedigt auch das kleine Kind, das sich ja in der Auseinandersetzung mit den großen Erwachsenen in der ähnlichen Lage befindet. Das Bilderbuch ist, da es 1994 bereits in 13. Auflage erschienen ist und auch mehrfach übersetzt wurde, bereits als Klassiker anzusehen, wenngleich es, wenn man es erstmals in die Hand bekommt, manchen vom Thema her befremden mag. Das könnte vielleicht auf ein gewisses Restunbehagen aus der eigenen Kindheit zurückzuführen sein - auf ein Vorurteil aus dem Unbewußten gewissermaßen. Kinder sind diesbezüglich noch nicht so festgelegt und erfreuen sich an der witzigen Geschichte. Und wenn Erwachsene den eigentlichen Sinn erst einmal durchschaut haben, ist eine kleine Regression in die frühe Kindheit schon einmal erlaubt. - Und dann finden sie das Buch auch amüsant.
Rezension
Personen: Erlbruch, Wolf Erlbruch, Wolf ª Holzwarth, Werner
Holzwarth, Werner:
Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat / Werner Holzwarth ; Wolf Erlbruch. - Wuppertal : Peter Hammer Verlag, 1989. - 20 ungezählte Seiten : überwiegend illustriert
ISBN 978-3-87294-407-8 EUR 14.90
Bilderbücher - Signatur: K05 Hol - Buch