Sommer, Bernd
Neu Transformationsdesign Wege in eine zukunftsfähige Moderne
Sachbuch

Transformationsdesign Harald Welzer plädiert seit vielen Jahren für äModelle des Wandelsô, die - mehr als abstrakte Bewusstseinsbildung - zur Einleitung der notwendigen Veränderungen führen würden. Gemeinsam mit Bernd Sommer hat er nun das Buch äTransformationsdesignô verfasst, das für einen neuen Fortschrittsdiskurs im Sinne einer äreduktiven Moderneô wirbt. In dieser gehe es nicht mehr (nur) darum, durch Innovationen immer mehr Neues in die Welt zu bringen, sondern durch äRenovationô Bestehendes länger zu nutzen (Renovieren von Gebäuden und Infrastrukturen, Reparieren von Gegenständen) und durch äExnovationô als kontraproduktiv erkannte Dinge bzw. Praktiken (wie Automobilität) zu überwinden. Die Autoren - Harald Welzer ist Gründungsdirektor der Stiftung FUTUR ZWEI (s. PZ 2014/4) und Professor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg, Sommer ist Nachhaltigkeitsexperte am Flensburger Norbert Elias Center - entwerfen das Szenario einer Zivilisation, die Ernst macht mit der drastischen Reduktion des Naturverbrauchs. Das 21. Jahrhundert werde in jedem Fall zu dramatischen Veränderungen führen, die Frage sei nur, ob diese bewusst gesteuert oder chaotisch ablaufen werden, so die Ausgangsthese der beiden: äTransformation by design or by desasterô, dies sei die einzige Entscheidungsalternative. In der Abhandlung werden zunächst große Transformationsprozesse in der Geschichte (Neolithische und Industrielle Revolution, Überwindung der Sklaverei, Frauen- und Gleichstellungsbewegungen) gewürdigt, in der Folge vorherrschende Transformationsvisionen (äGreen Business as usualô) kritisch beleuchtet und dabei auch Konflikte und Machtverschiebungen aufgezeigt, die im Zuge von Transformationsprozessen immer auftreten. Die abschließenden Kapitel widmen sich der Praxis der Transformation, also der äGestaltung von Reduktionô sowie der äsozialen Organisation des Wenigerô. Dabei gehe es weniger um einen Systemwechsel in toto, äsondern vielmehr um Schrumpfung oder Abschaffung nicht-zukunftsfähiger Teilbereiche der Gesellschaft gerade mit dem Ziel, andere zu bewahrenô (S. 51). Doch die bisherige Nachhaltigkeitsdebatte rekurriere vornehmlich auf Einzelpraktiken bzw. technologische Veränderungen und adressiere nicht die Produktions- und Reproduktionsverhältnisse insgesamt. Einübung des Weglassens Transformationsdesign strebe nach dem äkleinstmöglichen Aufwandô, so Welzer und Sommer, was häufig erfordere, nicht einfach Antworten auf bestehende Fragen zu finden, sondern diese anders zu stellen: äSo könnte die Antwort auf die Frage nach der bestmöglichen gestalterischen Lösung für eine Platzgestaltung sein: Man lässt ihn, wie er ist. Oder die Antwort auf die bestmögliche Reiseverbindung: zu Hause bleiben.ô (S. 114) Während die expansive Kultur der konsumistischen Moderne auf die beständige Vermehrung der Produkte und Angebote zielt, bedeute die Definition des guten Lebens in einer reduktiven Kultur das Gegenteil. Einrichtungen wie Repair-Cafes würden in diesem Sinne wirken (falls die Produkte reparierfähig sind), Modelle wie Open Source etwa durch 3D-Drucker nicht unbedingt, da sie eben der Mehrproduktion verhaftet blieben, so ein Beispiel der beiden. Vier Haltungen benennen Welzer/Sommer für eine reduktive Moderne (S. 172ff): Innehalten (als äStrategie des Orientierungsgewinnsô), Aufhören (als ämoratorische Strategieô zum Ausstieg aus der Abfolgelogik von Problem und Lösung, etwa im Kontext des äAnspringensô der Wirtschaft nach der Finanzkrise), Zurückgehen (im Sinne von Gesellschafts- und Vergemeinschaftungsformen, die bedeutend weniger Mobilität erfordern) sowie schließlich Ankommen (im Sinne des Erhaltens zivilisatorischer Standards in den Bereichen Freiheit, soziale Absicherung, Gesundheit, Bildung oder Rechtsstaatlichkeit). Die Autoren plädieren für eine äAutopoetik des ersten Schrittes, des Schon-mal-Anfangesô (S. 178), denn je mehr äPfadwechselschritteô es gäbe, desto wahrscheinlicher würde deren Attraktivität und Mehrheitsfähigkeit. äDas Bessere setze sich dabei dann durch, wenn die Konflikte, die mit seiner Durchsetzung verbunden sind, erfolgreich ausgetragen werden, und wenn äes sich in die Produktions- und Reproduktionsverhältnisse tiefenwirksam einschreibtô (S. 179). Als vorbildhafte Bewegungen werden abschließend die äTransition Townsô, die Initiative des äDivestmentô des amerikanischen Umweltaktivisten Bill Mc Kibben, der erfolgreich dazu aufruft, Investments aus nicht-nachhaltigen Unternehmen herauszunehmen, die Gemeinwohl-Ökonomie (von Christian Felber), Initiativen für Arbeitszeitverkürzung und ein Bedingungsloses Grundeinkommen sowie die Projekte der Commons und der Postwachstumsökonomie (à la Niko Paech) vorgestellt. Ein kluges Buch mit wertvollen Anregungen für die Nachhaltigkeitsdebatte, das auch durch Interviews mit Proponenten angesprochener Initiativen bereichert wird. Hans Holzinger


Rezension


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Personen: Sommer, Bernd Welzer, Harald

Interessenkreis: Wirtschaft Umwelt Leseumwelt

Sommer, Bernd:
Transformationsdesign : Wege in eine zukunftsfähige Moderne / Bernd Sommer ; Harald Welzer. - München : oekom, 2014. - 236 S. : Ill.
ISBN 978-3-86581-662-7

Zugangsnummer: 0009518001 - Barcode: 2-0000000-8-02111384-0
NB - Signatur: NB Som - Sachbuch