Glavinic, Thomas
Wie man leben soll Roman
Belletristik

"Luftröhrenschnitt! schreit Heike. Sie wird schon ganz blau!" Nach der Lektüre von Thomas Glavinics neuem Buch "Wie man leben soll" weiß man zumindest, wie man nicht sterben möchte. Nicht beim Weihnachtsessen. Nicht an einer Karpfengräte. Nicht an der "raschen Hilfe" des eigenen Freundes. Aber gemach, gemach. Glavinic, geboren 1972 in Graz, zuletzt zu Recht hoch gelobt für seinen mit dem Glauser-Krimipreis ausgezeichneten Roman "Der Kameramörder", ist mit "Wie man leben soll" eine stilistisch eigenwillige und sehr unterhaltsame Gesellschaftssatire gelungen, die in konsequent durchgehaltener Man-Perspektive vom Lebensweg eines Durchschnitts-Helden namens Karl Kolostrum erzählt, beginnend mit dessen Pubertät (Vater weg und Mutter säuft) in den 1980er Jahren und endend mit einer sehr österreichischen Medien-Karriere im Hier und Jetzt. Als Porträt seiner Generation bezeichnet der Autor selbst die Geschichte dieses Herrn Karls von heute. Karl oder Charlie lebt, wie man leben soll, und liest, wie man lesen soll, erwirbt neue Kenntnisse aus Zeitschriften wie "Der Körper", informiert sich durch Bücher wie "So mache ich mir Freunde, Teil II" oder "Die große Geschichte der Rockmusik, psychologisch betrachtet" und ist laut Test (in: "Die Persönlichkeit") ein 87%iger Sitzer, 82%iger Mitläufer, 56%iger Trickser, 10%iger Schulterzucker und nur 3%iger Draufgänger. In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Literatur 1968 sprach Thomas Bernhard nicht nur den oft zitierten und natürlich auch für den Schwerpunkt dieses Heftes programmatischen Satz "Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.", sondern auch folgenden, schon etwas seltener zitierten: "Wir sind Österreicher, wir sind apathisch." Ein weiteres Indiz dafür, in Charlie einen typischen Volksvertreter zu sehen. Abwarten. Aussitzen. Die Mama wird's schon richten. Aber was macht dieser apathische 100%ige Schulterzucker, dem durch eigenes Ungeschick bereits zwei Verwandte abhanden gekommen sind, ausgerechnet dann, als seine Freundin röchelt und um Luft ringt? Er wetzt ein großes Messer. Dumm nur, dass jetzt keine Zeit mehr bleibt um in "Der Körper" Wesentliches nachzuschlagen. Während im Hintergrund Bob Marley "No Woman, no cry" singt, aktiviert Charlie seine ganzen 3% Draufgängertum. "Noch immer weiß man nicht, wo die Luftröhre verläuft. Auf gut Glück sticht man da und dort ein bisschen in den Hals. Aber sticht man tief genug? Muß man über dem Kehlkopf stechen oder darunter? Und woran merkt man, wenn man getroffen hat? Zischt es?" "Merke: Wenn es viele Wege gibt, aber nur einer der richtige ist, muß man sie alle gehen."


Rezension


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Personen: Glavinic, Thomas

Glavinic, Thomas:
Wie man leben soll : Roman / Thomas Glavinic. - München : Dt. Taschenbuch-Verl., 2004. - 238 S. - (dtv premium; 24392)
ISBN 978-3-423-24392-6 kt. : ca. EUR 14,40

Zugangsnummer: 0005732001 - Barcode: 02063645
DR.G - Signatur: DR.G Gla - Belletristik