Ja, wo wohnen sie denn, die Geschichten? Das alizarinblaue Zwergen-Zopfmädchen scheint es nicht zu wissen. Schlaff und halb durchsichtig hockt sie auf einem scharlachroten Kasten und lächelt angestrengt ins Leere. Ach so, der Kasten ist ein Buch. Sein Rücken verkündet uns den Namen seiner Schöpfer in Gold, vorne prangt mittig ein goldenes Schlüsselloch. Vermutlich wurde eine der Geschichten von dem Prachtband erschlagen. Ihre Reste quellen jedenfalls darunter hervor. Sie handelte wohl von Witwen, Maulwürfen und Holzfällern. Wenn die Kleine die Rückseite des Buches sehen könnte, würde sie den übergroßen goldenen Schlüssel finden und die Versicherung, dass Literatur mehr ist äals eine Aneinanderreihung von Wortenô. Und wirklich, auf den weißen Seiten im Innern geht es ihr gut. Zarte Buchstabenfelder bilden verschiedene Formen: Wellen und Wege, Gebirge und Grotten, Wälder, Burgen, Ungeheuer, Wolken und Musik. Fragmentierte Erzählungen türmen sich auf, Erinnerungen an Weltliteratur für Kinder. Und sie bleibt nicht alleine. Ein stumpfnasiger Spielkamerad, hingestrichelt wie sie selbst, begleitet sie. Zusammen kommen sie an ein Häuschen hellblau und rosa, niedlich und anachronistisch. Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein? Gretel bleibt winkend zurück, während Hänsel weiterzieht, das Buch unter dem Arm, aus dem Buchstaben bröseln. Und wenn Vögel sie nicht aufpicken, kann sie ihn wiederfinden. Irgendwo, in einer anderen Geschichte. Irgendwo in dieser weiten Welt, die ganz von Zeichen beherrscht wird. Sam Winston ist hier Herr über die allgegenwärtige Typographie, Oliver Jeffers hat Farbe, große Augen, Stereotypen und gelegentlich hübsche kleine Anarchien dazu gegeben. Nicht jeder wird sich in diesem semiotischen Universum wohlfühlen, nicht jeder die Übermacht der Worte und Zeichen fraglos anerkennen.

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Rezension

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Personen: Jeffers, Oliver Jakobeit, Brigitte Winston, Sam

Interessenkreis: Vorlesebuch