Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Katharina Ratzberger; Diese erfolgreiche Fortsetzung der Krimitrilogie rund um den Polizisten Fin Macleod aus Edinburgh lässt einem den Atem stocken. (DR) Fin Macleod hat seinen Job bei der Polizei an den Nagel gehängt und geht zurück in seine Heimat, nach Lewis, der größten der äußeren Hebrideninseln vor Schottland. Kurz nach seiner Ankunft wird beim Torfstechen ein lebloser Körper entdeckt. Was auf den ersten Blick wie ein archäologischer Sensationsfund aussieht, stellt sich zwar als nicht mehr ganz taufrische, aber dennoch bei weitem weniger alte Leiche mit Elvis-Tattoo heraus. Obwohl der Expolizist auf der rauen Insel eigentlich sein Leben wieder in geregelte Bahnen bringen wollte, beginnt er zu ermitteln, da der Vater seiner großen Jugendliebe Mona durch eine DNA-Spur in Verdacht gerät. Fin und der ansässige Inselpolizist beschließen, den Fall selbst zu lösen, bevor ein offizieller Ermittler vom Festland beauftragt wird. Der neue Roman von Peter May "Beim Leben deines Bruders" ist mehr als ein spannender Krimi. Die erzählte Vorgeschichte zieht sich über mehrere Jahrzehnte, wodurch es dem Autor gelingt, ein liebevoll gestaltetes Bild der oft schroff anmutenden Inselwelt und deren Bewohner zu erschaffen. Durch häufigen Perspektivenwechsel gewinnt der Krimi an zusätzlicher Tiefe. Die Lösung des Rätsels wird den LeserInnen mit derartigem Fingerspitzengefühl dargebracht, dass man bis zuletzt den Täter nicht enttarnt. ---- Quelle: Pool Feuilleton; Entlegene Inseln müssen einen besonders ausgeprägten Heimat-Magnetismus haben, sonst würden ihre wenigen Bewohner sofort ins Meer oder in die Welt hinaus gespült werden. Peter May zeigt anhand eines Mordfalles auf der Hebriden-Insel Lewis, wie diese harte Gegend ihre Krallen in das Fleisch der Bewohner knallt und nicht mehr los lässt. Der ehemalige Lewis-ianer Fin muss sein Leben umkrempeln, er tritt aus der Polizei in Edinburgh aus, lässt sich aus einer irreparablen Ehe scheiden, als sein Kind tödlich überfahren wird, und sucht seine Wurzeln auf der Insel auf, um vielleicht wieder Halt zu gewinnen. Im Moor wird punktgenau zu seiner Ankunft eine Leiche gefunden, anhand eines Elvis-Tattoos kann der Tote bald den Fünfziger Jahren zugeordnet werden. Freilich dürfte er keines natürlichen Todes gestorben sein. Ehe aber gemächlich die echte Polizei vom Festland mit den Ermittlungen beginnt, hat Fin ein paar Tage Zeit, die Geheimnisse rund um die Moorleiche zu lüften. Wo immer Fin hintritt, er trifft auf Familienreste oder Teile von aufgelassenen Beziehungen. Seine Jugendfreundin hat dann doch einen anderen geheiratet, freilich ist ihr Sohn von ihm und ist jetzt hoffnungslos selbst Vater geworden, er träumt von der Uni am Festland als Ausweg. Der Vater von Fins Jugendliebe hingegen ist schwer dement, aber höchst rätselhaft, wenn er in hellen Momenten seine Geschichte erzählt. Das ist überhaupt ein grandioser Schachzug des Erzählens, dass der Held dement ist, seine Umgebung ihn nicht versteht, er aber in einem dementen inneren Monolog die wahre Geschichte für den Leser erzählt. Allmählich sind alle Figuren vorhanden, die es zum Ablauf einer abgeschirmten Tragödie auf einer Insel braucht. Die Moorleiche und der demente Sonderling sind Brüder, worauf auch der deutsche Titel anspielt. Einst sind sie als Waisenkinder auf die Insel gebracht worden, was beinahe einem Todesurteil gleichkommt. Denn wer nicht von der Insel ist, kann hier nicht Fuß fassen. Der ruhig gestellte Ex-Polizist Fin kann in Ruhe den Fall zu Ende bringen, dabei zerreißt es ihm freilich das Herz, denn alles auf Lewis wird in den Umrissen eines Schattenspiels in Schwarz-weiß abgehandelt. Peter May erzählt einen Psychothriller um abgehärmte Figuren, die weder durch Bleiben noch durch Flucht ihrem Schicksal entgehen können. Die Szenerien beginnen jeweils verregnet wie aus einem Trekking-Prospekt, aber bevor der Regenbogen auftauchen kann, sind die Protagonisten schon wieder geschlagen. In einer mitlaufenden Sozialgeschichte wird auch das wirtschaftliche Desaster der Hebriden angesprochen. Seit ewigen Zeiten kommen Investoren und Eroberer, errichten etwas und verschwinden, noch ehe die Bevölkerung begriffen hat, wie ihr geschieht. Eine auf mehreren Ebenen aufwühlende Moor-Geschichte, worin der Morast der Jahrhunderte für einen Augenblick an die Luft der Gegenwart gekratzt wird. Helmuth Schönauer
Rezension
Personen: May, Peter Morawetz, Silvia
May, Peter:
Beim Leben deines Bruders : Roman / Peter May. Aus dem Engl. von Silvia Morawetz. - Wien : Zsolnay, 2014. - 333 S.
ISBN 978-3-552-05671-8
Kriminalromane - Signatur: DK May - Buch