Kögl, Gabriele
Höllenkinder Erzählung
Buch

Quelle: Pool Feuilleton; Nach einer recht einleuchtenden Vorstellung besteht der Sinn des Lebens im ständigen Erzählen dieses Lebens. Wenn alles fertig ist, setzt das Leben von sich aus den Schlusspunkt. Gabriele Kögl wählt für ihre monologische Erzählung "Höllenkinder" eine Bäuerin als Heldin, die anlässlich des achtzigsten Geburtstags ihr Leben abarbeitet. Die Feierlichkeiten sind eine Bedrohung des geordneten Lebens, denn feiernde Angehörige und Jubiläumskind sind völlig überfordert. Es wird der übliche Tamtam aufgeboten, Essen, kleine Basteleien, Fotos, Floskeln, niemand fühlt sich so recht wohl in seiner Haut, weil es keine verlässlichen Rituale gibt, die so einen Geburtstag als Lebensbilanz erträglich machen könnten. Die Ich-Erzählerin ist letztlich schon schwer angeschlagen, hat rundum Probleme mit der Motorik und dem Sprechen, aber anlässlich des Schlags auf dem Kaffee kann sie wunderschön die Verbindung von Schlag und Schlaganfall herstellen. Vor allem die Tochter versucht, mit bohrenden Fragen eine Art Resümee aus ihr herauszulocken. Und während man das eine oder andere Fotoalbum durchblättert, versammeln sich die wichtigsten Dinge so nach und nach im Erinnerungsfoyer der Heldin. Das Prägendste eines Lebens ist dieser Zusammenhang zwischen einem dunklen Auftauchen aus einem Geburtsschlund und der Weitergabe des Lebens, indem die Kinder in die Hölle hinaus gedrückt werden. Die Heldin wird von ihren eigenen Erzähl-Schleifen beinahe verschlungen. Da tauchen plötzlich Bilder auf, wie der Vater sich so wild auf die Mutter geschmissen hat, bis das Kind endlich tot gewesen ist, als es auf die Welt gedrückt wird. Den Pfarrer beeindruckt seinerseits die Erzählung der Beicht-Delinquentin, immer wieder muss sie den Vorgang erzählen, während er ganz geil wird. Zur Belohnung tauft er ihr die Kinder, sie muss ihm dafür weitere Geschichten von Gewalt, Vergewaltigung und Brachial-Zeugung liefern. Ein Leben lang geht es am Hof um Auftreiben, Abtreiben und künstliche Besamung. Die Arme des Tierarztes versinken im Innern der Kühe, um die Gebärmutter zu lupfen oder ein Kalb hervorzuholen. Unterstützt werden diese Geschichten der Sprachlosigkeit mit Hirngraphiken, die wie ein Fotoalbum durchblättert werden beim Erzählen. Manchmal rutscht ein einzelnes Wort in das Bild hinein, dann wieder ist der Text mit Gefühlsschattierungen farblich unterlegt. Fratzen, sterile Einrichtungen, tote Gesichter beim Begräbnis, einander bespringende Tiere und Geistliche laufen durch das Buch, und alles findet in einer riesigen Sprechblase ein Ende, in welche die Geschichte vorläufig eingebettet ist. Im Falle der Höllenkinder gehören Gabriele Kögl und Georg Koenigsstein zusammen wie selten in einem Projekt, bei dem Text und Bild zusammengehen. Die Erzählung schafft es durch diese Verbindung mit den Bildern, das Unerzählbare auszudrücken, und sei es nur als Farbhauch auf einer überirdischen Skala. Niemand mit dieser Geschichte könnte sterben, ohne sich durch das Erzählen zuvor Erleichterung verschafft zu haben. Die Höllenkinder sind ein hervor gepresster Befreiungsakt einer geschundenen Heldin. Helmuth Schönauer


Rezension


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Personen: Kögl, Gabriele Koenigstein, Georg

Schlagwörter: Sexueller Missbrauch

Kögl, Gabriele:
Höllenkinder : Erzählung / Gabriele Kögl. Graphiken von Georg Koenigstein. - Krems : Editions Roesner, 2016. - 95 S. : Ill.
ISBN 978-3-903059-13-9

Zugangsnummer: 5341
Belletristik allgemein - Signatur: D0 Kög - Buch