Quelle: Apropos. Straßenzeitung für Salzburg (http://www.apropos.or.at/) Autor: Michaela Gründler; Verstrickter Ruhm Österreichische Autoren zeigen schon seit langem, dass sie spielerisch mit Romanformen umgehen können und damit sehr erfolgreich sind: Wolf Haas mit seinem Roman-Interview "Das Wetter vor 15 Jahren", Daniel Glattauer mit seinem E-Mail-Roman "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen" oder auch Daniel Kehlmann, der mit "Ruhm" einen Roman in neun Geschichten geschrieben hat. Die Erzählungen sind untereinander fein verstrickt. Eine Nebenfigur einer Episode wird in einer andern plötzlich zur Hauptfigur und verschwindet in ein anderes Leben. Wirklichkeit und Träume vermischen sich zunehmend. So kauft der Techniker Ebling ein Handy und bekommt Anrufe, die einem Schauspieler gelten. Allmählich lässt er sich auf die neue Identität ein. Der Schauspieler hingegen wird in einer späteren Erzählung von einem Tag auf den nächsten nicht mehr angerufen - und verliert das, was ihn ausmacht. Und so geht es fort. Kehlmann spielt gekonnt mit seinen Figuren und Motiven - und lässt am Schluss dennoch ein bisschen ratlos zurück. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Andreas Freinschlag; Verschachteltes. (DR) Kehlmanns neuntes Buch lässt die Leserschaft rätseln, wie die darin enthaltenen neun Kurzgeschichten zusammenhängen (Stimmen, In Gefahr, Rosalie geht sterben, Der Ausweg, Osten, Antwort an die Äbtissin, Ein Beitrag zur Debatte, Wie ich log und starb und - noch einmal dieser Titel - In Gefahr). Die zentrale Figur scheint ein Schriftsteller namens Leo Richter zu sein. Zum Personal gehören zudem eine Autorin, ein Filmstar, eine Ärztin, eine sterbenskranke Frau, ein Verfasser esoterischer Lebensratschläge und ein Blogger, der sich in künstlich coolem Internet-Jargon mitteilt. Motive und Themen (Metamorphosen, Identitäten, Spannungen zwischen Trivialität und Genialität, Burn-out-Erfahrungen und die Vorstellung, dass das Leben vielleicht nur ein Traum oder eine Geschichte ist) sowie Figuren und Szenen kehren mehrmals wieder und werden aus unterschiedlichen Perspektiven so dargestellt, dass der Eindruck erzählerischer Verschachtelung entsteht. Die Textkomposition weist einige glänzende sowie einige qualitativ problematische Stellen auf; an den Letzteren siegen Pathos und ungebrochener Kitsch über Ironie. Die Stärken des "Romans" liegen im Grotesken. ---- Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp) Autor: Markus Fritz; Ich habe versucht, bei der Lektüre des Textes nicht an die "Vermessung der Welt" zu denken und schon gar nicht an die (voreiligen) Ergüsse der Kritiker zu diesem Buch. Nun - wie der Untertitel schon darauf hinweist - handelt es sich um neun Episoden, die sich nach und nach zu einem romanhaften Gesamtbild ordnen. Ein Computertechniker namens Ebling, kauft ein Mobiltelefon und bekommt Anrufe, die einem anderen gelten; einem gewissen Ralf, der wohl eine bekannte wichtige Persönlichkeit sein muss, mit vielen Frauenbekanntschaften; nach kurzem Zögern beginnt er ein Spiel mit der fremden Identität, er gibt sich als dieser Ralf aus und er greift in das Leben dieser fremden Menschen ein. Die Frauen am anderen Ende der Leitung verzweifeln wegen seiner ausweichenden Antworten, aber er fühlt sich auch wichtig: "Er war der Seele einer aufregenden Frau noch nie so nahe gekommen." Am Schluss der Geschichte kommen keine Anrufe für Ralf mehr. Ein Schauspieler namens Ralf Tanner wird von einem Tag auf den nächsten nicht mehr angerufen, als hätte jemand sein Leben an sich gerissen. Ein Schriftsteller macht zwei Reisen in Begleitung einer Frau, deren größter Alptraum es ist, in einer seiner Geschichten vorzukommen. Ein verwirrter Internetblogger wiederum wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal Romanfigur zu sein, am liebsten in einem Roman von Leo Richter. Eine Krimiautorin geht auf einer abenteuerlichen Reise in Zentralasien verloren (eigentlich hätte Leo Richter diese Reise machen sollen, sie springt für ihn ein), eine alte Dame, die unheilbar krank ist, macht sich auf den Weg nach Zürich zu einem Institut für Sterbehilfe, und diese bittet den Autor, der sie erschaffen hat, um Gnade, er soll sie nicht sterben lassen; ein Abteilungsleiter in einem Mobiltelefonkonzern (übrigens jenes Unternehmen, das für die Verwirrung ob Tanners Handynummer verantwortlich ist) führt ein riskantes Doppelleben zwischen der Ehefrau und der Geliebten. In den Geschichten geht es um Zufall und Schicksal, um Leben und Tod. Menschen sehnen sich nach einem anderen Leben, nach vielen Leben. Die Geschichten sind perfekt (fast zu perfekt) konstruiert, sie sind teilweise auch witzig. Sie sind auf jeden Fall ein hervorragendes Beispiel dafür, was Literatur zu schaffen vermag. Der Autor treibt das Spiel mit der Fiktion an seine Grenze. Wer kann schon entscheiden, was wirklich ist und was nicht.
Rezension
Personen: Kehlmann, Daniel
Kehlmann, Daniel:
Ruhm / Daniel Kehlmann. - Reinbek : Rowohlt, 2009. - 202 S.
ISBN 978-3-498-03543-3
Belletristik allgemein - Signatur: D0 Keh - Buch