Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Lukas Schmuckermair; Betrachtungen im Spannungsfeld von Vererbung und Umwelt. (NB) Wird man als Verbrecher geboren oder wird man vom sozialen Umfeld dazu gemacht? Wie wird man eigentlich homosexuell? Was hatte Mozart, was sein Zeitgenosse und Gegenspieler Salieri nicht hatte? Und wäre aus mir auch so ein begnadeter Fußballer wie Ronaldinho geworden, wenn ich nur früh genug begonnen hätte, jeden Tag hart zu trainieren? All diesen Fragen liegt eine Gemeinsamkeit zu Grunde. Sie befinden sich im Spannungsfeld von Genetik und Umwelt: Welche Eigenschaften hat ein Mensch genetisch geerbt oder inwieweit wurden diese von seinem sozialen Umfeld geprägt? Der renommierte österreichische Genetiker Prof. Markus Hengstschläger hat auf all diese Fragen leider meist die gleiche Antwort: Verschiedene Forschungen haben gezeigt, dass bestimmte Gene mit großer Wahrscheinlichkeit in diesen Punkten eine gewisse Rolle spielen. Wirklich Genaues ist aber schwer zu sagen. Natürlich gibt es Genvarianten, die dem Träger ein besseres Muskelwachstum bescheren, aber reicht das allein zum Weltfußballer? Wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass eine bestimmte Genvariante in der q28-Region des X-Chromosoms bei Homosexuellen gehäuft auftritt. Doch ob sich das so genannte "Schwulengen" wirklich auf die sexuelle Neigung des Trägers auswirkt, liegt noch vollkommen im Dunkeln. Ähnliches gilt für eventuelle Genialitäts-, Alkoholismus- und Aggressionsgene. Viele interessante Fragen, vage Antworten, dafür verständlich und oft witzig erklärt. ---- Quelle: Imago Hominis (http://www.imabe.org/) Autor: 2007/1 E. Prat; Gene haben etwas Geheimnisvolles an sich. Sie sind winzige, für das Auge nicht sichtbare Bausteine, die im Kern einer menschlichen Zelle liegen - rund 35.000 Gene in einer einzigen. Sie liegen auf einem DNA-Abschnitt, der - vereinfacht gesagt - aus der Kombination von nur vier simplen chemischen Substanzen (Basen) besteht: Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Die Summe aller Gene (Genom) enthält den Bauplan des Menschen. Wie der Mini-Schaltkasten "Genom" mit seinen 35.000 Schaltungen im Detail funktioniert, gehört zu den großen, noch ungelösten Rätseln der Forschung. Wir wissen, dass durch das Genom alle anatomischen, physiologischen und psychologischen Merkmale des Menschen bestimmt sind. Alles ist bestimmt. Daran knüpft sich die alte Frage: Lässt sich daraus folgern, dass wir genetisch determiniert sind? Und wenn ja, könnten wir durch genetische Manipulationen die originären Merkmale verändern? Was lässt sich derzeit schon machen? Was wird uns in der Zukunft möglich sein? In 14 Kapiteln versucht der Genetiker Markus Hengstschläger nicht nur die Frage zu beantworten, ob unbeschreibliche Schönheit, überdurchschnittliche Intelligenz, das Talent, Witze zu erzählen usw. vererbbar sind, sondern er greift auch Beispiele aus dem Alltag auf, wenngleich manche ein wenig medientauglich gesteigert: Warum gibt es Menschen, die kaum etwas essen und trotzdem dick werden? Was haben Toupet und offener Sportwagen mit genetischer Selektion zu tun? Wie werden meine Kinder aussehen? Warum werden manche Menschen "unverdient" steinalt, obwohl sie trinken und rauchen, während so mancher "Bio- und Sportfreak" früher als erwartet stirbt? Was haben Auto und Flugzeug mit den Chancen der Menschheit auf langes Überleben und Evolution zu tun? Warum spielen brasilianische Fußballer immer besser als österreichische? Weshalb siegte Mozart über Salieri? Wissen meine Gene, dass ich einmal Model, Politiker oder Serienkiller werde? Wussten Sie, dass jedes Neugeborene in ganz Europa und den USA auf eine genetische Erkrankung untersucht wird - und das schon seit Jahrzehnten? Weiß ein Genetiker, welche Krankheiten ich noch bekommen werde? Bin ich meinen Genen wirklich hilflos ausgeliefert? Der Autor liefert in den zwei ersten Kapiteln eine sehr einfache und allgemein verständliche Erklärung genetischer Vorgänge, auf welche er sich stützt, um im Rest des Buches aufzuzeigen, was die genetische Veranlagung - soweit bekannt - ausmacht. Es gibt genetisch bedingte und vererbbare Krankheiten wie z. B. Chorea Huntington oder Cystische Fibrose, die genetisch determiniert sind und denen man - wenn eine genetische Veranlagung vorliegt - (noch) nicht entkommen kann. Genetische Studien belegen relevante genetische Risikofaktoren für eine Reihe von Krankheiten - wie z. B. Brustkrebs oder Alkoholismus -, die aber von den Genen her nicht determiniert sind. Ob und in welchem Ausmaß genetische Veranlagung, Umwelt oder Kultur die anatomischen, physiologischen und psychologischen Merkmale des Menschen bestimmen, kann schwer beantwortet werden. Hengstschläger stellt in seinem Buch Hypothesen auf, die für einen Einfluss der genetische Veranlagung auf verschiedene Merkmale wie die Virtuosität eines Musikers oder Dichters, die ballkünstlerischen Fähigkeiten eines brasilianischen Meisters, Religiosität, homosexuelle Neigungen, Drang zum Verbrechen und zum Töten und vieles mehr sprechen. Ein gewisser Einfluss ist sicher da, aber auch viele andere Faktoren spielen eine so große Rolle, dass von einer genetischen Determinierung nicht gesprochen werden kann. Die Antworten auf die vom Autor angerissenen Fragen sind im Allgemeinen sehr vage, sodass all jene, die sich konkrete Aussagen erwarten, ziemlich enttäuscht sein werden. Die Wissenschaft ist eben nicht soweit. Die Aussage des Buches lautet demnach: Genetik ist ein Schlüsselwissen, das noch entschlüsselt werden muss. Ob diese Aussage ein ganzes Buch rechtfertigt, ist fraglich. Zukunftsvisionen in einer alternden Gesellschaft, in der die Geriatrie zur boomenden medizinischen Sparte geworden ist, sind von großem Interesse. Visionen wie z. B. die einer genetischen Überlistung des Alters werden auch von Hengstschläger thematisiert. In dieser Frage bleibt der Genetiker eher skeptisch. Positiv steht er aber der Vision der Transplantation der Eierstockgewebe gegenüber, um älteren Frauen das Austragen von Kindern zu ermöglichen. Eine ethisch-kritische Begutachtung solcher Visionen lässt der Autor jedoch aus. Mit Absicht? Zu brisant? Es fällt auf, dass ethische Fragen in diesem Buch kaum bis überhaupt nicht behandelt werden, obwohl dies in der Auseinandersetzung mit den brisanten und aktuellen Fragen der Genmanipulation naheliegend gewesen wäre. Der Autor ist dafür bekannt, dass er in Interviews und Aufsätzen mit seinen ethischen Positionen nicht hinterm Berg hält und unumwunden erkläret, in welchen Bereichen er für Lockerung eintritt. So bekennt sich Hengstschläger zu seiner Tätigkeit auf dem Sektor der künstlichen Befruchtung: Er ist Leiter des genetischen Labors des auf künstliche Befruchtung spezialisierten "Wunschbaby Zentrum - Institut für Kinderwunsch". Wie bereits in anderen Publikationen preist er auch in diesem Werk die Vorzüge der In-Vitro-Fertilisierung, ohne die ethischen Bedenken zu thematisieren. Auch in der Frage der Homosexualität legt der Autor seine Position dar: Sie sei keine Krankheit, auch nicht etwas Verwerfliches oder gar Unnatürliches, denn "was die Natur als Teil des Spektrums bietet, kann per se nicht unnatürlich sein". Hier begeht Hengstschläger den fundamentalen Fehler, den mehrdeutigen Begriff "Natur" falsch zu verwenden. In der Natur kommt schließlich allerhand vor, was an sich verwerflich und mangelhaft ist. Merkwürdig ist allerdings, dass er sich unmittelbar nach der Homosexualität mit dem Makel und der Krankheit der Gehörlosigkeit befasst. Da wird sich der Leser auch fragen, wieso diese nun eine Krankheit sein soll, sie kommt auch in der Natur vor. Der Autor ist Genetiker, doch geht genetische Kompetenz nicht mit der ethischen einher, obwohl Genetik und Ethik akustisch so ähnlich klingen. In diesem Buch gewinnt man den Eindruck, dass Genetik dazu da ist, die Konsumwünsche der Gesellschaft zu erfüllen: Alles was geht oder gehen könnte, wird ohne zu hinterfragen in die Auslage gestellt oder als zukünftige Möglichkeit angekündigt. In einer postmodernen, esoterischen, pseudoreligiösen und hedonistischen Gesellschaft wird ein gut geschriebenes und spannendes Buch über die Alltags- und Wohlstandsrelevanz der geheimnisvollen Welt der Gene einen Erfolg haben. Es sind Fragen, die jedermann angehen. Wer will das nicht genau wissen? Hengstschläger ist es gelungen, die Fragen einigermaßen mit Humor und Witz zu behandeln. Die ausgewählten Beispiele sowie die autobiographischen Begebenheiten machen das Buch als oberflächlich-amüsante Information erträglich. Auf die wirklich brennenden Fragen gibt es jedoch kaum konkrete Antworten und der Autor entpuppt sich als geradezu visionslos, zumal man sich von einem der führenden Genetiker des Landes klare und richtungsweisende Worte zu marktorientierten Entwicklungen wünschen darf. Wer es genau wissen will, muss also noch einige Forschungsjahre abwarten, und wer erfahren will, ob alles, was getan werden kann, auch ethisch vertretbar ist, muss sich anderweitig informieren.
Rezension
Personen: Hengstschläger, Markus
Hengstschläger, Markus:
¬Die¬ Macht der Gene : Schön wie Monroe, schlau wie Einstein / Markus Hengstschläger. - Salzburg : Ecowin, 2006. - 171 S.
ISBN 978-3-902404-35-0
Garten, Natur, Landwirtschaft, Gesundheit, Medizin - Signatur: NA Hen - Buch