Annotation: Historischer Roman um den gnadenlosen Rachfeldzug einer Wikingerprinzessin an den Mördern ihrer Familie. Rezension: "Rache ist ein Wolf mit unstillbarem Hunger, Hallgerd, wie viele Leichen auch in seinem Rachen verschwinden." In roher Wikingerkulisse, zwischen Wäldern und Fjorden, auf Bärenfellen und kaltem Stein wird jener metaphorische Wolf porträtiert und mit dem Schicksal Hallgerds verknüpft: Die Tochter eines nordländischen Jarls und einer irischen Prinzessin verliert ihr Zuhause und ihre Angehörigen, als "Thorsteinhalla" vom aufstrebenden Asmund niedergemetzelt wird. Die schlafende Walküre ist geweckt, das Mädchen schwört Vergeltung. Jan de Leeuw bindet die Lesenden eng an das zornige, stolze Mädchen und lässt Blicke in ihr Innerstes zu, nur um sie im nächsten Kapitel wieder abzuschmettern. Fortan folgt jeder Abschnitt personal einer mehr oder minder stark involvierten Figur ihres zehrenden Feldzuges und einem oft nur in Gesprächen rekonstruierten Schlüsselereignis, das von unterschiedlich langen Zäsuren gerahmt wird und zu einem facettenreichen Bild Hallgerds beiträgt. Während eine Perspektive noch vom Feuer in ihren Augen spricht, ist sie andernorts "still und schön wie der gefrorene See zu ihren Füßen". Die ständige Relativierung der Begebenheiten und psychologisch nuancierten ProtagonistInnen begründet die treffend genutzte Schachallegorie: der Vater von Hallgerds Sohn, ihre christliche Sklavin, ein Hirte am Hofe Asmunds - "In der einen großen Geschichte gab es mehr Randfiguren als Helden." Die geduldige Schachkönigin nähert sich mittels Intrigen, Beziehungen und Betörung ihrem Ziel, der dafür notwendigen (Vogel-) Freiheit und mythisch-mystischen Aufladung ihrer selbst: "Haare rot wie Flammen. Zähne wie ein Wolf. […] Sie trinkt das Blut der Toten. Sie zerreißt ihr Fleisch." Sprachlich präziser Pathos begleitet und vollendet die Entwicklung der packenden, dunklen Geschichte, die nie der Gefahr oberflächlicher Historisierung ausgesetzt ist. Der endlose Hunger von Hallgerds Rache findet zumindest in der Erzählung einen jähen, aber den wohl einzig erdenklichen Schluss - kurz vor dem Schachmatt.
Personen: Leeuw, Jan de Erdorf, Rolf
Leeuw, Jan de:
Roter Schnee auf Thorsteinhalla / Jan De Leeuw. Aus dem Niederländ. von Rolf Erdorf. - Hildesheim : Gerstenberg, 2010. - 301 S.
ISBN 978-3-8369-5310-8 fest geb. : EUR 17,50
Historische Romane für Kinder - Signatur: JE.G Leeu - Buch