Die dreiwöchige Schiffsreise von Ceylon nach England wird für den elfjährigen Michael zum Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein. (DR) 1954, mit elf Jahren, fährt Michael allein mit dem Ozeandampfer über vier Meere zu seiner Mutter. Natürlich muss er am "Katzentisch" sitzen, also am weitesten vom Kapitänstisch und den Passagieren der ersten Klasse entfernt. Die Tischrunde besteht aus zwei Buben in seinem Alter und einigen mehr oder weniger schrägen Damen und Herren. Die drei Freunde haben sich vorgenommen, jeden Tag eine Regelübertretung zu begehen, sei es durch den Konsum von Alkohol oder Tabak oder das Klauen von Speisen aus der ersten Klasse. Dabei müssen sie so unsichtbar wie möglich bleiben und erfahren auf diese Weise viele Geheimnisse, die Passagiere jeden Alters und jeder Schicht lieber unentdeckt lassen wollten: Verborgenes wie gezielten Diebstahl, den merkwürdigen Todesfall eines Milliardärs, den Selbstmord eines Strafgefangenen oder einige nicht standesgemäße Beziehungen. Später in seinem Leben, als aus dem jungen Michael ein berühmter Autor geworden ist, wird er auf jene Ereignisse und Geheimnisse zurückkommen und spüren, wie sehr seine Einstellung zum Leben durch diese Erlebnisse geprägt wurde. Die Geschichte ist sehr vielschichtig. Einmal schreibt der Autor ganz aus der Sicht eines Kindes, dann wieder aus der Sicht des Autors, der er geworden ist, er blendet zurück oder nach vor, bringt Dinge in Zusammenhang, die er damals nicht begreifen konnte, und begründet Lebensströme mit Geschehnissen auf dem Schiff. Das Buch hat geradezu hymnische Rezensionen im Internet, die die innewohnende Symbolik hervorheben, die präzise Beschreibung der Menschen, die lyrischen Sprachbilder und die eindringliche Schönheit der Erzählung. Ich vermute aber, dass es durch den Zeitkolorit dennoch eher die reifere Leserschaft anspricht. Sehr empfehlenswert!

---

Personen: Ondaatje, Michael