Rezension: Wer so engelhaft schön wie Lilian aussieht, kann ja nicht so schrecklich falsch singen. Gegen diese - vor allem bei männlichen Wesen - fest verhaftete Meinung kann sich die Ich-Erzählerin nicht wehren. Nein, der Katzengesang wird immer ihr angelastet. Dabei singt sie astrein, spielt Gitarre, hat ein großes Repertoire und macht bei verschiedenen Bands und Chören mit. Aber sie sieht nicht besonders auffällig aus und verblasst völlig neben ihrer Freundin Lilian. Dabei ist es für die 16-Jährige eh ein schwieriges Jahr mitten in den 60ern: Ihr Freund ist für ein Jahr im Ausland, die Eltern sperren sich gegen ihre politischen Aktivitäten, John F. Kennedy stirbt. Lilian verliebt sich mindestens jeden Monat neu und hat dann immer keine Zeit mehr für sie. Außerdem erfährt sie, dass sie die Einzige in der Klasse ist, die es noch nicht gemacht hat! Die Gedanken über Freundschaft, Sex, Liebeskummer und Musik ballen sich im Kopf der Ich-Erzählerin, bis der fast platzt. Aber obwohl der Text auch sensibel geschrieben ist, fällt es schwer, mit ihr mitzufühlen. Einerseits liegt das wohl daran, dass für alle Nachgeborenen die Bezüge zu den 60ern in Form von Songtexten von Chris Barber, Charly Mingus, Alice Babs oder Scott Joplin erschwert werden und dass die Zeit von Jaqueline Bisset und Harry Belafonte - "der schönste Mann auf der ganzen Welt" - wirklich vorbei sind. Andererseits mag es in der Haltung der Ich-Erzählerin begründet sein. Sie denkt sehr kategorisch, schließt sich aber selbst daraus aus. Am Ende verrät sie ihre Ideale für einen letzten Kontakt mit dem lange vermissten Freund, obwohl sie schon weiß, dass die Beziehung verloren ist. Es bleibt ihr die Entjungferung und der Versuch, diese als Gewinn zu sehen.
Personen: Kutsch, Angelika Olsson, Ninne
Liebe
Olsson
Olsson, Ninne:
Lilian und ich / Ninne Olsson. - Hamburg : Oetinger, 2002. - 144 S. - Aus dem Schwed. von Angelika Kutsch
ISBN 978-3-7891-4421-9 fest geb. : € 9,90
Liebe - Buch