Ein versuchter exemplarischer Einblick in die Sexualität amerikanischer Frauen. (DR) Lisa Taddeo, amerikanische Journalistin und Autorin , wurde mit dem vorliegenden Buch 2019 auf der Bestsellerliste für Sachbücher der New York Times geführt, auch wenn das Buch meines Erachtens (auch wenn es auf Tonbandaufnahmen und Gerichtsakten basiert) eher wie ein Roman daherkommt. In den Rezensionen im Klappentext wird der Band hymnisch gepriesen, er sei "ein Weckruf, um zu wissen, was Frauen wollen und begehren", ein "außergewöhnlicher Einblick in die Psychologie der weiblichen Sexualität" usw., was sich vielleicht auch auf die häufigen, detailliert beschriebenen Sexszenen beziehen mag. Mein Eindruck war ein etwas anderer: Wenn - wie von der Autorin beabsichtigt - diese drei Frauengeschichten exemplarisch für das sexuelle Begehren und die sexuelle Befreiung amerikanischer Frauen stehen sollen, dann ist es um die USA diesbezüglich wohl nicht gut bestellt. Taddeo beginnt mit der Erfahrung ihrer italienisch-stämmigen Mutter im Bologna der 1950er-Jahre, die sich monatelang von einem alten Mann verfolgen ließ, der sich, während er ihr nachstieg, selbst befriedigte, und stellt auf dieser Folie die Frage nach der Selbstbestimmung weiblicher Sexualität in den USA. Nur - die drei Fallbeispiele, die sie psychologisch überzeugend und packend schildert - lassen wenig von Selbstbestimmung erkennen und spiegeln wohl auch kulturell und ethnisch nicht die Vielfalt Amerikas wieder. Alle drei Frauen sind soziologisch gesehen - wenn auch aus verschiedenen sozialen Schichten kommend - sogenannte WASPs, also White Anglo-Saxon Protestants (auch wenn eine davon katholisch ist), alle haben traumatische sexuelle Erfahrungen in ihrer Kindheit/Jugend durchlebt, kommen aus einem zutiefst konservativem Background und kämpfen um ihre sexuelle Befreiung, ein Kampf, der ihnen jedoch nicht zu gelingen scheint: Da ist Maggie, die ihren ehemaligen Highschool-Lehrer wegen Kindesmissbrauchs klagt und sowohl vor Gericht als auch in der Gesellschaft in ihrer konservativen Kleinstadt scheitert. Lina, die eine Vergewaltigungserfahrung als Schülerin durchleben musste, befreit sich aus der Ehe mit ihrem gefühlskalten Ehemann, nur um als Zwischendurch-Zweitfrau für ihre große Jugendliebe herzuhalten (und das als Liebe zu verstehen). Schließlich ist da die gesellschaftlich und wirtschaftlich gutgestellte Sloane, deren Ehemann seine sexuelle Erfüllung mit ihr zunehmend nur noch in Dreiern findet und sie in solche Beziehungen drängt. Alle drei Protagonistinnen kämpfen um Liebe und um die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche, scheinen jedoch in erster Linie Objekte der Begierde ihrer männlichen Sexualpartner zu sein und scheitern in ihrem Versuch der Emanzipation. Für mich war diese Bestandsaufnahme ein zutiefst trauriges Buch, von dem ich nur hoffen kann, dass es entgegen der Absicht der Autorin nicht die gesamte Realität von Frauen in den USA in Zeiten von Donald Trump wiederspiegelt. Nur bedingt zu empfehlen.
Personen: Taddeo, Lisa Hummitzsch, Maria
Taddeo, Lisa:
Three Women - Drei Frauen / Lisa Taddeo. Aus dem Amerikan. von Maria Hummitzsch. - München : Piper, 2019. - 415 S.
ISBN 978-3-492-05982-4 fest geb. : ca. € 22,70
Prosaanthologien - Signatur: DR.A Tadde - Buch