Jugendkriminalität und wie man ihrer Herr wird. (GS) Als Jugendrichterin in Neukölln, einem Berliner Problembezirk, muss sich Kirsten Heisig mitunter wie Sisyphus vorgekommen sein, denn bei manchen Mehrfachtätern versagen Hilfsangebote ebenso wie Strafen. Den Ursachen für die Erfolglosigkeit der verhängten Maßnahmen geht die Autorin hier auf den Grund und sie begnügt sich dabei nicht mit dem Ruf nach mehr Geld und mehr Posten. Heisigs genauer Blick fördert politisch Unbequemes zutage. So schildert sie nach Deutschland eingewanderte kriminelle Großfamilien, die ihre Kinder dem Zugriff des Staates entziehen. Es sind aber nicht nur Migranten, die für Probleme sorgen, wie die Fallgeschichten von Kevin und Kimberly aus Pankow zeigen. Heisig lässt auch keinen Zweifel daran, dass Delinquenz nicht nur in der Unterschicht zu finden ist und die Wohlstandsverwahrlosung ebenso üble Folgen zeitigen kann. Zu den sozialen Risikofaktoren, welche die Entstehung von Wiederholungstätern begünstigen, gehören aber zuallererst miserable Wohnverhältnisse und das Fehlen eines arbeitenden Vaters als Identifikationsfigur. Was tun, wenn ein Jugendlicher - die meisten Täter sind nach wie vor männlich, obwohl die Mädchen aufholen - straffällig wird? Dass Heisig gegen "sozialromantische Verblendung" und "pseudoliberale Heuchelei", gegen "Wegsehen und Herumlavieren" aufgetreten ist, hat ihr den Ruf einer Hardlinerin eingetragen. Liest man ihr Buch genau, gewinnt man jedoch einen ganz anderen Eindruck, denn sie plädiert keineswegs für gnadenlose Strenge, sondern für einzelfallbezogene und rasch greifende Maßnahmenpakete, deren Ergebnis kontrolliert werden müsse. Voraussetzungen dafür wären der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit von Schule, Jugendamt, Gericht, Polizei und privaten Vereinen. Dem stehen freilich nicht nur Personal- und Geldmangel, sondern auch das Datenschutzgesetz entgegen. Viele der in Deutschland herrschenden Missstände sind in abgeschwächter Form auch in Österreich zu finden. Deshalb sollten Heisigs praxisnahe Lösungsvorschläge auch bei uns diskutiert werden. *bn* Renate Langer
Altersempfehlung: ab 16 Jahren.
Personen: Heisig, Kirsten
Heisig, Kirsten:
Das Ende der Geduld : Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter / Kirsten Heisig. - Freiburg i. Br. : Herder, 2010. - 205 S.
ISBN 978-3-451-30204-6 kart. : ca. Eur 15,40
Allgemeinwissen, Infos - Signatur: Lit 14.1 - Buch