An einem ganz normalen Sommertag findet ein Junge auf einem Strandspaziergang ein Ding, das niemandem zu gehören scheint. Da es sich im Gespräch als freundlich erweist, verbringen die beiden den Tag miteinander. Am Abend nimmt der Junge das Ding mit nach Hause. Seine Eltern bemerken es erst gar nicht, darauf hingewiesen meinen sie: "Es hat dreckige Füße!" und "Es könnte alle möglichen Krankheiten haben". Also geht der Junge mit dem Ding ins Fundamt, wo es ein trauriges Geräusch macht. Schließlich finden die beiden aber doch den richtigen Ort für die Fundsache. "Tja, das war's. Das war die Geschichte. Nicht besonders tiefsinnig, aber das habe ich auch nicht behauptet. Und fragt mich nicht nach der Moral", meint der Junge, nachdem er uns die Geschichte erzählt hat. So einfach ist die Sache allerdings nur, würde man allein den Text hören. Shaun Tan, jener Mann, der mit "Ein neues Land" und "Geschichten aus der Vorstadt des Universums" (beide Carlsen 2008) im letzten Jahr international für Furore gesorgt hat (siehe auch 1000 und 1 Buch 4|08), hat daraus ein Bilderbuch gemacht, das irritiert, berührt und sich einer einfachen Lesart nachhaltig widersetzt. Mittels der Bilder siedelt er den Plot in einem retro-futuristischen Szenario an, belebt von uniformierten Menschen, die sich wie ferngesteuert durch eine leblose Maschinenlandschaft bewegen. Einzig das Ding, im Text nur beschrieben als fehl am Platz, sticht in Farbe und Gestalt als eine Art überdimensionale Teekanne heraus, in der sich Leben verkrochen zu haben scheint. Die detailreichen Bilder voller skurriler Zeichen und kryptischer Verweise sind durchwegs auf Hintergründe gesetzt, die mathematischen und physikalischen Lehrbüchern entnommen sind, die Seitenarchitektur erinnert an Comics. Die Bilder bewirken eine unheimliche, vielleicht sogar bedrohliche Grundstimmung, ihre schräge Beziehung zum Text, der lakonische, fast gelangweilte Ton, in dem der Ich-Erzähler seine Sommer-Erinnerungsgeschichte präsentiert, sorgen für beträchtliche Komik. Und mit jener Seite, auf der wir - wie durch ein Schlüsselloch - einen Blick auf die Welt erhaschen, in die das Ding gehört, ist wie ein Hoffnungsschimmer in einer grauen und durchwegs geschmierten Welt, in der alles nur nicht die Phantasie einen festen Platz zu haben scheint. Ein großartiges Lese- und Schauerlebnis für jene Kinder und Erwachsene, die sich unerschrocken der Lektüre uniformer Bestseller widersetzen wollen, um lesend in ein anderes Land aufzubrechen. *ag* Franz Lettner

Altersempfehlung: ab 5 Jahren.

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Personen: Tan, Shaun

Schlagwörter: Antolin Klasse-4