Der in Wien lebende Autor führt in seinem Roman zwei Figuren der deutschen Geistesgeschichte zusammen: den Mathematiker Carl Friedrich Gauß und den weltreisenden Naturforscher Alexander von Humboldt. Ein Treffen gibt es erst am Schluss des Buches, vorher werden die Entwicklungen in getrennten Kapiteln abwechselnd verfolgt. Dabei ergibt sich ein interessantes Spiel sowohl von Parallelen und Gegensätzen: Gauß, der fast nur öffentlichkeitsscheu zu Hause im engeren Umkreis arbeitet, aber von dort aus die Welt erklären will, Humboldt, der die ganze Welt auf abenteuerlicheWeise bereist und zur internationalen Berühmtheit wird. Gemeinsam ist ihnender unwiderstehliche Drang, die Welt mathematisch-naturwissenschaftlich zu erforschen, zu "vermessen", wörtlich und übertragen. Ein ähnliches Verhältnis gibt es auf der privaten Ebene: Humboldt hat für Beziehungen zu Frauen kein Bedürfnis und kein Verständnis; sie würden dem Forscherdrang entgegenstehen. Gauß hat immer wieder Beziehungen zu Frauen, entpuppt sich aber als Familientyrann. Humboldts Begleiter und Gefährte Bonpland scheitert und wird tragisches Opfer der Forscherwut, ebenso wie Gauß' Sohn am autoritären und verständnislosen Vater scheitert. Beider Weg wird aber auch ironisch gesehen, etwas wenn Gauß immer wieder behauptet, Napoleon hätte seinetwegen Göttingen nicht beschossen, was Humboldt bezweifelt. Oderwenn Humboldt den spanisch sprechenden Begleitern im südamerikanischen Urwald "Wanderers Nachtlied" frei ins Spanische übersetzt (natürlich Deutsch wiedergegeben). Der dichterischen Form entkleidet, entsteht ein sinnlos platter Text, Ergebnis einer bloß positivistischen Forschungstätigkeit. - Der Roman ist eine gekonnte Mischung aus Wahrheit und Fiktion, voller Fantasie (die Details all dessen, was Humboldt in der ganzen Welt unternimmt, vom Pflanzensammeln, über Flussüberquerungen bis zum Abseilen in einen Vulkankrater, sind köstlich) und zugleich mit unglaublicher Fähigkeit, mathematische Probleme zu erklären (in der Darstellung der Gauß'schen Gedankengän
Personen: Kehlmann, Daniel
Kehlmann, Daniel:
Die¬ Vermessung der Welt : Roman / Daniel Kehlmann. - Reinbek : Rowohlt, 2005. - 303 S.
ISBN 978-3-498-03528-0 fest geb. : ca. Eur 19,90
Schöne Literatur - Signatur: Kehlm - Buch