Kleine Reise auf dem großen Lebensschiff - geniale Existenzphilosophie für große und kleine Denker. (ab 5) Deutschlands größten Dichter an Kinder zu vermitteln, ist ein gern geübter Brauch. Der freilich meist weder den Kindern noch dem Dichter frommt: Denn der Klassiker wirkt in heutigen Kinderlyrikanthologien meist lieblich-putzig; steht dort in lyrischer Hinsicht meist auf dem Niveau der Vogelhochzeit. Doch hier kommt alles anders! Freilich, ohne Peter Schössow hätten wir es nie gemerkt: Was zählen schon so kleine Gedichte? Kunstvoll zeichnet Goethe die träge Monotonie mit dunklen Vokalen, bald kommt der Rhythmus völlig zum Erliegen. Paukenschlägen gleich beenden die kurzen Imperativsätze jede noch verbliebene Hoffnung. Selbst das Rufzeichen ist fortan zu den Folterinstrumenten zu zählen. Aber welche Rhythmik und welcher Tanz der Worte versöhnen uns auf der "Glücklichen Fahrt"! Gerne gebe ich es zu: Die Gesellschaft Goethes war mir nie genehm. Als wichtigtuerischer Schranze erschien er mir. Was war Goethe gegen Schillers revolutionäre Ideen, gegen Kleists rasende Hoffnungslosigkeit, gegen Hölderlins vergebliche Liebe? Wenn man Peter Schössow glauben darf, hat Goethe all das gekannt. Traurig sitzt da einer am Heck, die Segel - schlaff im Wind. Auch das Umblättern hilft nicht, alles bleibt, wie es war: verzweifelte Ausschau, entsetzlicher Stillstand. Die Vogelperspektive macht es uns klar: Hier ist kein Entkommen möglich. Verzweifelter Blick zum Horizont: Wir sind allein. Noch einmal dreht sich die Perspektive, aber nichts verändert sich. Endlose Weite, gleißende Sonne; was bleibt, ist ein sehnsüchtiger Blick auf die Vögel. Spritzendes Kielwasser, geblähte Segel; endlich beginnt die "Glückliche Fahrt", der Mensch - eine Nussschale im Walten der unerbittlichen Elemente. Ganz am Schluss ein schwaches Ich. Zweifellos: Der Schiffer, der hier gemütlich am Sandstrand sitzt, ist kein Urlauber, sondern ein moderner Robinson Crusoe, der sein Überleben dem freundlichen Schicksal verdankt. Wir gehen auf die Straße. Der Himmel scheint plötzlich grün. Überall herrscht erbarmungslose Flaute und zwischen Palästina und Bagdad dreht sich alles im Kreise. Mit wenigen, comicartigen Strichen setzt Peter Schössow Goethes Gedichte ins Bild. Und zeigt uns eine Menge über Stillstand und Bewegung, über Erzählperspektiven und Lust an Sprache. Wem das aber nicht genug ist, der kann hier immer noch ein kleines existenzphilosophisches Meisterwerk entdecken. *ag* Klaus Gasperi

Altersempfehlung: ab 4 Jahren.

---

---

Personen: Goethe, Johann Wolfgang von Schössow, Peter

Standort: Bilderbuchtrog

Schlagwörter: Antolin