Die berührende Geschichte einer Frau, die an der Freiheit verzweifelt. (DR) Man kann sich nicht von etwas befreien, dessen Anwesenheit man nie gebilligt hat. Die tote Schwester der Erzählerin hat ihr Leben in der Garnisonstadt nahe der polnischen Grenze nie akzeptiert. Das Schicksal der knapp Zwanzigjährigen besiegelten nicht Kind und Ehemann, sondern der Fall der Berliner Mauer. In einem DDR-Leben hätte ihr die Flucht aus der Provinz gelingen können, glaubte die Tote. Das glaubt auch ihre noch lebende Schwester, die in jungen Jahren den Absprung geschafft hat und die jetzt in Reminiszenzen das Leben ihrer Schwester vorüberziehen und uns daran teilhaben lässt. Diese ungewöhnliche Erzählweise macht diesen Roman zu etwas Besonderem. Die Stimme der Schwester, die zu den Lesenden spricht, betont bewusst diesen Hang zu den Bildern, in denen die Erinnerungen abgespeichert sind. Und ungleich mehr Tiefe erhält die Figur der toten Schwester, deren Namen wir nicht erfahren und der uns nicht einmal interessiert. Der keine Identität bildete im Regime der erzwungenen Gleichheit, das nichts so sehr fürchtete wie Individualität. Die Fetzen der Erinnerung bilden aber wie in einer Collage eine ganz andere Wirklichkeit ab, jene, die unter der Oberfläche das Handeln bestimmt. Überraschend ist, wie ergeben die tote Schwester von Beginn an den neuen politischen Verhältnissen begegnet, dass sie keine Revolte in sich spürt, wo ihr das Geschehen doch wie ein Betrug erscheint. Man ahnt, mit der DDR ist etwas in dieser Frau gestorben. Etwas, das traurigerweise Jahre später auch ihr Leben beendete. Ein stilles, nachdenklich stimmendes Buch, das ohne Politik politische Verhältnisse illustriert.

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Personen: Schoch, Julia