Boie, Kirsten
Heul doch nicht, du lebst ja noch
Jugendbuch

Unmittelbar nach Kriegsende, Hamburg Juni 1945. "Aber natürlich ist Jakob klar, warum er nicht will, dass Hermann alles von ihm weiß. Er hat doch gehört, wie der andere [=Hermann], der mit gesenktem K opf neben ihm hergeht, über die Engländer gesprochen hat. In Hermanns Kopf ist der Krieg noch nicht wirklich vorbei, nicht der Krieg und nicht die Jahre davor, wie sollte diese Welt denn auch so schne ll daraus verschwinden! Was so lange Wahrheit war, wird nicht auf einen Schlag Lüge." (S. 140) Sehr nüchtern und klar macht sich hier Jakob, einer der drei Protagonisten aus Kirsten Boies neuster Erzä hlung, Gedanken. Als Sohn einer jüdischen Mutter, die nach Theresienstadt deportiert wurde, musste e r sich seit einigen Monaten in einem zerbombten Haus alleine verstecken, wurde nur notdürftig von ei nem alten Mann mit Essen versorgt und hatte das Kriegsende zunächst gar nicht mitbekommen. Der Hunge r treibt ihn auf die Straße und dort trifft er auf Hermann und Traute. Hermann ist, obwohl sein Vate r schwer kriegsversehrt heimgekehrt ist, noch immer begeisterter HJ-Anhänger. Traute sieht sich mit einquartierten Flüchtlingen und der Sehnsucht nach Freundinnen konfrontiert und will bei den Jungs " einfach nur mitspielen". Boie schildert aus diesen drei Perspektiven sechs Tage in der zerbombten St adt. Sie macht deutlich, welche Auswirkungen das geplante tausendjährige Reich auf Kinder und Jugend liche hatte, inwieweit nationalsozialistische Prägung natürlich weiterhin präsent war, welche Dramen sich auf vielerlei Ebenen abspielten. Mit entsprechenden familiären Hintergründen gelingt ihr das K unststück, ihre Figuren nicht pädagogisierend bloßzustellen oder Schicksale gegeneinander auszuspiel en und trotzdem sehr deutlich zu machen, wer hier welches Leid erfahren hat bzw. erfährt. Sie führt die zeitgeschichtliche Situation vor Augen, erzählt konzentriert und präzise von Hunger, Schwarzmark t, englischen Besatzern, plötzlichen Widerständlern und Trümmerfeldern. Natürlich hat Boie bestens r echerchiert und belegt, dass sich in Hamburg tatsächlich ein Wiedersehen zwischen einem Jungen und s einer jüdischen Mutter ereignet haben könnte. Und ausgerechnet diesen Jungen Jakob lässt sie Mitmens chlichkeit zeigen.


Dieses Medium ist verfügbar.

Personen: Boie, Kirsten

Schlagwörter: Jugendbuch

Boie, Kirsten:
Heul doch nicht, du lebst ja noch. - Originalausgabe, 1. Auflage. - Hamburg : Verlag Friedrich Oetinger, 2022. - 192 Seiten
ISBN 978-3-7512-0163-6 14.00

Zugangsnummer: 9754 - Barcode: 22120034
Jugendbücher (ab 13 Jahre) - Signatur: J 22 - Jugendbuch