Annotation: Mia übernachtet das erste Mal bei ihrer Freundin, doch die Freude darüber verwandelt sich bei beiden Kindern schnell in Unbehagen. Beide sind in ihren Rollen als Gast und Gastgeberin nicht geübt. Lindenbaum inszeniert für dieses Setting Bildebenen mit ungewöhnlichen Perspektiven und Farbinszenierungen, die die Gefühlslage der Kinder subtil unterstreicht. Rezension: So schön haben sich das die beiden Freundinnen Mia und Cerisia ausgedacht: Mia soll bei Cerisia übernachten und beginnen muss dieser besondere Akt mit einem Wassereis. Dass Cerisia zwei Eis bekommt und Mia nur eines, war aber nicht ausgemacht. Irgendwie läuft diese Übernachtungsaktion insgesamt nicht so, wie sich Mia das vorgestellt hat. Das Haus riecht nach Ziege, es gibt unendlich viele Türen, Cerisias Uroma sitzt im Wohnzimmer und kann die Zähne herausnehmen, der Bruder Elme macht einen Höllenlärm und Zottel, der Hund, hat eine superekelhafte Beule auf dem Kopf. Pija Lindenbaum inszeniert diese kindliche Alltagsgeschichten mit Witz und Augenzwinkern, ohne ihre Heldinnen vorzuführen oder es an Ernsthaftigkeit fehlen zu lassen. Gekonnt arbeitet sie auf der Bildebene mit ungewöhnlichen Perspektiven und Farbinszenierungen, die Stimmungen und Gefühlslagen subtil unterstreichen. Beide Mädchen wirken in all diesen Bildräumen verloren und deplatziert , mitunter gar marginalisiert. Wie so oft bei Lindenbaum bricht plötzlich und unerwartet in eine realistische eine fantastische Erzählung ein, in diesem Fall als Traumsequenz zu lesen. Mia irrt nachts durch das unendlich geweitete Haus und begegnet höchst eigenartigen Figuren. Relationen und Größenverhältnisse gehen dabei gänzlich verloren. Türen schrumpfen, Erwachsene werden riesengroß und Mia steht diesen Verschiebungen wie Alice im Wunderland staunend bis fassungslos gegenüber. Als Mia endgültig beschließt, nie wieder woanders übernachten zu wollen, findet sie ihre Freundin auf dem Klo wieder. Den Rest der Nacht verbringen sie unter der Spüle, wo sie von Mias Vater und Cerisias Mutter gefunden werden. Wie immer bleibt Pija Lindenbaum ganz nah an ihren kindlichen Figuren, wenngleich sie sie bildlich verrückt und so die Besonderheit der Situation der desorientierten Ich-Erzählerin unterstreicht. Die beiden Freundinnen sind nicht geübt in ihren Rollen als Gast und Gastgeberin. Ihre Erwartungen und die Realität driften immer stärker auseinander, was Mia schlussendlich feststellen lässt: "Jetzt habe ich woanders übernachtet. So supertoll war es nicht." Aber dennoch sind beide Kinder um eine Erfahrung reicher. Diesen Reichtum mit ihnen zu teilen ist ein ästhetischer Gewinn. *ag* Nico Kalteis
Personen: Lindenbaum, Pija
JD
Lin
Lindenbaum, Pija:
Mia schläft woanders / Pija Lindenbaum. Dt. von Kerstin Behnken. - Hamburg : Oetinger, 2011. - 40 S. : überw. Ill. - Aus dem Schwed. übers.
ISBN 978-3-7891-7546-6 fest geb.: Eur 13,40
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