Die introvertierte Maria und ihr neuer Kollege Endre stellen zufällig fest, dass sie Nacht für Nacht denselben Traum teilen. Verwirrt und erstaunt über diese intime Verbindung suchen sie zaghaft die Nähe des anderen...
Im Hollywood-Klassiker „Bettgeflüster“ (1959) gibt es eine wunderbare Szene mit dem „Traumpaar“ Doris Day und Rock Hudson: Da nutzt die im CinemaScope-Format gedrehte Liebeskomödie die ganze Breite des Bildes, um es nebeneinander in zwei gleich große Teile aufzuteilen; Day und Hudson liegen, miteinander telefonierend, in ihren schicken Badewannen – und heben jeweils ein Bein aus dem Badeschaum, sodass sich ihre Füße genau an der Linie, an der die beiden Szenen zusammenstoßen, berühren.
Solche Split-Screen-Technik gibt es in „Körper und Seele“ der Ungarin Ildikó Enyedi nicht, und doch erinnert zumindest eine Einstellung des Films daran: Da haben Mária und Endre endlich zueinander gefunden, liegen nebeneinander im Schlafzimmer, um ihren so rätselhaften wie geheimnisvollen gemeinsamen Traum zu träumen, Mária in der rechten Bildhälfte im Bett, Endre in der linken zu ihren Füßen. Auch sie nahe beieinander und doch voneinander getrennt durch eine feine imaginäre Linie, die sie (noch) nicht überschritten haben.
„Körper und Seele“ ist ein bewundernswertes Kunststück, bei dem Form und Inhalt in seltener Meisterschaft zusammentreffen. Ildikó Enyedi erzählt die Geschichte einer zarten Liebe, die in jeder „Pore“, in jeder fein komponierten Einstellung ihre Liebe zum Erzählen verrät. Und zum Kino. So trist die Schauplätze mitunter sind, so subtil fließt das Geschehen in eine utopische Welt, in der man sich gemeinsam in seine Träume versenken kann. Solch eine Seelenverwandtschaft trifft die Einzelgänger Mária und Endre gänzlich unverhofft, und doch können sie sich dieser Fügung nicht entziehen.
Endre ist Finanzdirektor eines Schlachthofs in Budapest. Die kalt-aseptische Welt der Schlachthalle, die traurigen Blicke der todgeweihten Kühe und das abgehängte rohe Fleisch meidet er nur zu gern und verkriecht sich im Büro. Gleichwohl hat sich der sanfte Mann mit einem verkrüppelten Arm sein Interesse an seinen Mitmenschen bewahrt, so auch an der neuen Qualitätsprüferin Mária, die die Kollegen schnell als „eingebildet und seltsam“ abtun. Die junge Frau mit Anzeichen von Autismus kann mit sozialen Beziehungen rein gar nichts anfangen, reagiert schweigsam auf Endres Annäherungsversuche – mit Blicken aus Reh-Augen wie jene aus Márias wiederkehrendem Traum.
In diesem Traum streifen ein Hirsch und seine zarte Artgenossin durch einen Winterwald, suchen unter der Schneedecke nach Essbarem, trinken aus einem Bach, und man meint, in den Augen der Paarhufer ihre große Fürsorge, ihr gegenseitiges Vertrauen und ihr Verantwortungsgefühl zu lesen – eine große Liebe in einem weltentrückten Frieden.
„Körper und Seele“ ist ein Film so still wie seine beiden Protagonisten und so reich wie deren (verschüttetes) Seelenleben. Selbst in seinen Zuspitzungen verzichtet er auf jeden heftigen Gefühlsausbruch, vertraut ganz auf die Gesicht- und Körpersprache des Paars, das sich im Spannungsfeld seiner Sehnsucht bewegt, bis die „Feldstärke“ groß genug ist und sich die Funken entladen – etwa in Márias ganz besonderer „Liebesmusik“, dem fragilen Pop-Song „What He Wrote“ von Laura Marling.
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Körper und Seele
Montage: Károly Szalai; Schauspieler: Réka Tenki, Morcsányi Géza, Zoltán Schneider, Itala Békés, Ervin Nagy, Alexandra Borbély; Kamera: Máté Herbai; Musik: Adam Balazs; Regie: Ildikó Enyedi; Produktion: Ernő Mesterházy, Mónika Mécs; Drehbuch: Ildikó Enyedi
Ungarn 2017; FSK 12; Sprachfassung: Deutsch, Ungarisch. Untertitel: Deutsch; 1 Online-Ressource (116 min); Bild: 1:2,35 HD
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