Eine aufrüttelnde Dokumentation über die Situation von Flüchtlingen in Süditalien. (GS) In Süditalien ist die Praxis des Umganges mit Flüchtlingen etwas anders als in den übrigen Teilen des Landes: Hier müssen diese nämlich während des Asylverfahrens die Flüchtlingszentren ohne Papiere, Visum und Geld verlassen, bis sie telefonisch über den Ausgang verständigt werden. Um überleben zu können, verdingen sich viele der Betroffenen in der Zwischenzeit als Tagelöhner, manche darüber hinaus. Die meisten landen auf den Orangenplantagen Kalabriens, wo sie als Erntehelfer in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen schuften und so gleichsam als moderne Sklaven zum Lebensstandard der Europäer beitragen. Der Ethnologe Gilles Reckinger hielt sich von 2012 bis 2017 immer wieder vor Ort auf, um diese Zustände mithilfe des "partizipativen Forschungsansatzes" aufzuzeigen: Er traf sich mit Flüchtlingen in ihren Slumhütten und Zeltdörfern, nahm an ihrem Tagesablauf teil und ließ sie ihre Erfahrungen (Übergriffe, Vergewaltigungen, Morde) selbst beschreiben und dokumentieren. Das Ergebnis ist - versehen mit zahlreichen Bilddokumenten und hilfreichen Erklärungen - im vorliegenden Band nachzulesen. Reckinger möchte damit sowohl den Flüchtlingen eine Stimme geben als auch die LeserInnen als mögliche Konsumenten über diese skandalöse Situation innerhalb der EU (!) informieren. Man sollte also dieses Buch unbedingt lesen, auch wenn einem die Orangen aus Kalabrien nicht mehr so gut schmecken, wie sie das vermutlich vor der Lektüre getan hätten!
Serie / Reihe: Edition Trickster
Personen: Reckinger, Gilles
GW Rec
Reckinger, Gilles:
Bittere Orangen : ein neues Gesicht der Sklaverei in Europa / Gilles Reckinger. - 2. - Wuppertal : P. Hammer Verl., 2019. - 231 S. : Ill. (farb.). - (Edition Trickster)
ISBN 978-3-7795-0590-7 kart. : ca. Eur 24,70
Wirtschaft - Buch: Sachbücher