Plötzlich ist es da, das Meer, zum Greifen nah fast, als "graue, stille, beinahe völlig beruhigte Fläche". Es ist kurz nach fünf an der italienischen Adria, ein Julimorgen, der Strand noch völlig unbelebt. Keine Sonne, keine Bewegung, vollkommene Stille. "Ich hatte das Meer einfach vergessen", heißt es in Hanns-Josef Ortheils Die große Liebe: "jetzt lag es mir wie eine Verheißung zu Füßen, unaufdringlich und groß, als bekäme ich es mit ihm zu tun". Natürlich wird sich dem Icherzähler des Romans der Strand bald füllen. Menschen kommen ihm in den Blick, und dann -- wir ahnen es bereits, sind durch den Titel vorgewarnt -- eine bezaubernde Frau. Im Meeresmuseum zwischen Algenformationen taucht sie auf, zunächst nur Stimme, eine Sirene, die dem Helden den Kopf verdreht: Dottoressa Franca, die junge, langhaarige Direktorin. Es ist Liebe auf den ersten Blick, mehr noch: Es ist die große Liebe. Denn Franca ist anders als die anderen Frauen, anders als Nora oder Hanna: "Wenn ich mit Franca zusammen bin", notiert der Icherzähler, "bin ich die ganze Zeit ausschließlich mit ihr beschäftigt, damit, was sie sagt und wie sie sich gibt, es gibt keinerlei Ablenkung. Der gesamte Raum um uns herum hat sich verändert, er erscheint aufgeladen, "schöner". In diesem Zustand nehme ich unendlich viel wahr." Viel wahr hat offenbar auch Ortheil genommen, denn er erzählt diese einfache Geschichte einer großen Liebe derart sensibel und zugleich geballt, dass sie einem jederzeit glaubhaft und nirgends kitschig erscheint. Über weite Strecken liest sich das Buch wie ein unendliches Happyend, bis sich das glückliche Geschehen ganz in Literatur aufzulösen beginnt und das Meer in seiner Weite wieder das Schreiben bestimmt. So gewagt Die große Liebe wegen der Nähe des Themas zum Trivialen auch gewesen sein mag, so rundherum ist Ortheil der Roman gelungen.
Serie / Reihe: Liebes-Trilogie 1
Personen: Ortheil, Hanns-Josef
Orthe
Ortheil, Hanns-Josef:
¬Die¬ große Liebe / Hanns-Josef Ortheil. - 13. - München : btb, 2005. - 316 S. - (Liebes-Trilogie ; 1)
ISBN 978-3-442-72799-5 Dicke Pappe
Schöne Literatur - Buch