Sabine Gruber hat mit ihrem neuen und zweiten Roman "Die Zumutung" einen bestechenden Text über das Ich und sein Körpergedächtnis geschrieben. Die Sterblichkeit ist eine Gewissheit, mit der jeder Mensch mehr oder weniger bewusst durchs Leben geht. Doch Marianne, die Protagonistin des Romans, ist dem Tod näher als ihre Freunde, ihr Körper ist schon in jungen Jahren nicht intakt. Eine zunächst nicht geklärte Krankheit, die sich schließlich als Nierenschrumpfung herausstellt und in der Notwendigkeit regelmäßiger Blutwäsche an der Maschine mündet, dominiert Mariannes Lebensgefühl. Sie steht auf einem brüchigen Boden, sie kämpft mit lähmender Angst und einer zuweilen alles erfassenden Schwäche und macht sich doch jeden Tag aufs Neue auf, einen normalen und letztlich auch lebendigen Alltag zu leben. Der Tod gibt Perspektive auf unterschiedliche Lebensarten, er kennt kein Gefühl, aber er ist hellsichtig und registriert genau, was geschieht. Die wiederkehrenden Beerdigungsszenen durchsetzen den Romantext mit einem heiteren Ernst. Es sind vielfach poetische, oft schräge und manchmal geradezu witzige Miniaturen, die Sabine Grubers sonst realistische, am Alltag Mariannes orientierte Erzählung in einer wunderbaren Schwebe halten.Sabine Gruber gelingt es, die unterschiedlichsten Charaktere vorzuführen und zu durchleuchten, ohne sie jedoch zu diffamieren. Sie webt die verschiedenen Erzählstränge ineinander und erzählt so komplex und überzeugend die Geschichte einer Frau, die angesichts zunehmender Bedrohung durch ihre Krankheit hart an der Grenze des Zumutbaren lebt. Der Roman unterhält, indem er den Faden der Spannung von Anfang bis Ende niemals verliert. Die Dialoge stimmen, die Brüche und Neuanfänge kommen zur rechten Zeit, die Konstruktion des Romans ist vielschichtig, aber keineswegs schwer. Ein leicht und luftig formulierter Text, der gerade deshalb im rechten Sinne auf die ernsten, existentiellen Dinge des Lebens zugreift.
Personen: Gruber, Sabine
DR.G
Gru
Gruber, Sabine:
¬Die¬ Zumutung : Roman / Sabine Gruber. - München : Beck, 2003. - 220 S.
ISBN 3-406-50264-4 € 19,60
Gesellschaftsroman - Belletristik