Kaum zu glauben, dass die Autorin dieses Jugendbuches gerade einmal 18 Jahre alt war, als sie das Manuskript verfasste, für das sie mit dem Hans-im-Glück-Preis ausgezeichnet wurde. Andererseits: eine Schülerin ist nah dran an den kleinen und großen Verletzungen, Katastrophen und Dramen, die sich tagtäglich an einer Schule ereignen – und mitunter zu einem ganz großen Unglück führen. „Es ist ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem aufgetreten. Bitte bewahren Sie Ruhe. Begeben Sie sich sofort in einen geschlossenen Fachraum und warten Sie auf weitere Anweisungen.“ Lena-Lina Oppermann lässt ihren 180-seitigen Psychothriller mit einer Lautsprecher-Durchsage beginnen, die die LeserInnen unmittelbar in ihr Horror-Szenario hineinzieht: Amokalarm an einer Schule. Der Lehrer lässt das Klassenzimmer verschließen, versucht – wider eigene Verunsicherung und Überforderung – Ruhe auszustrahlen, was ihm nicht wirklich gelingt. Als es klopft und ein kleines Mädchen weinend um Einlass bittet, lässt er die Tür öffnen – und verschafft damit auch dem Amokläufer Zutritt. Es folgen zweieinhalb Stunden, in denen der Lehrer, 13 Schüler, ein kleines Mädchen (und der Amokläufer) auf engstem Raum einer Extremsituation ausgesetzt sind. Erzählt wird aus drei Perspektiven, in kurzen Passagen und rascher Folge wechselnd, von der Klassenbesten Fiona, dem meist seine eigenen Wege gehenden Mark und Mathematiklehrer Filler. Zehn letzte, zum Teil bizarr anmutende Wünsche soll die Klasse dem Amokläufer erfüllen: Der Lehrer spuckt also seiner Lieblingsschülerin ins Gesicht, zwei Übergewichtige ziehen sich nackt aus, der Klassen-Yuppie wird als notorischer Dieb entlarvt, die Doktorarbeit des Lehrers unwiderruflich zerstört. Immer perfider, brutaler, lebensbedrohlicher werden die Aufgaben, die der Amokläufer stellt. Sie zerstören Freundschaften, Beziehungen und (Lebens-)Träume, zeigen Doppelmoral und Scheinheiligkeit auf. Verzweiflung, Wut und Gewaltbereitschaft wachsen. Am Ende fehlt nicht viel und der Klassen-Mob hätte nach dem Biologie-Skelett auch Mitschüler Sylvester „zerlegt“. Das beeindruckende, fesselndes Debüt erinnert an William Goldings „Herr der Fliegen“ oder Janne Tellers „Nichts: Was im Leben wichtig ist“ und wirkt lange nach. Denn die Frage: wie hätte ICH mich verhalten?, geht einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf.
Altersempfehlung: ab 13 Jahren.
Personen: Oppermann, Lea-Lina
Oppermann, Lea-Lina:
Was wir dachten, was wir taten : [Roman] / Lea-Lina Oppermann. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2017. - 177 S.
ISBN 978-3-407-82298-7 kart. : EUR 12,95
Jugendbücher (ab 12 Jahre) - Signatur: Opper - Buch