Zu den zentralen Aufgaben kulturanthropologischen Forschens gehört das Studium ritueller Praktiken. Zahlreiche interdisziplinär äußerst einflussreiche Ritualtheorien gingen daraus hervor. In der neutestamentlichen Exegese steht deren Rezeption und Anwendung noch in den Anfängen. Vor diesem Hintergrund werden nach einer kurzen Sichtung der wichtigsten Forschungsparadigmen der Ritualforschung die wegweisenden Theorien Victor Turners über rituelle Schwellenphasen und die darüber hinausreichenden Erscheinungsformen permanenter Liminalität vorgestellt. Dass sich Turners Einsichten und Modelle in der Paulusexegese fruchtbar anwenden lassen, wird exemplarisch an Phil 3 vorgeführt. Ausgehend von einem Dissens über die Bedeutung des Initiationsrituals der Beschneidung hebt Paulus dort hervor, dass die christusgläubige Existenz in einen umfassenden Transformations- bzw. Initiationsprozess ins Heil eingelassen ist. Kulturanthropologisch betrachtet weist dieser das typische dreigliedrige Strukturschema ritueller Prozesse auf. Die gegenwärtige christusgläubige Existenz ist dabei in der mittleren Schwellenphase zu verorten. Liminale Charakteristika prägen die paulinischen Ausführungen dementsprechend in vielerlei Hinsicht. Der Aufsatz schließt mit wenigen generellen Überlegungen zur Bedeutung der Ritualforschung für die neutestamentliche Exegese.
Personen: Strecker, Christian
Strecker, Christian:
Evangelische Theologie: Leben als liminale Existenz : kulturanthropologische Betrachtungen zum frühchristlichen Existenzverständnis am Beispiel von Phil 3 / Christian Strecker. - 68, 2008. - S.460-472
Einheitssacht.: Kulturanthropologische Exegese