Welche Ergebnisse eine an Sozial- und Kulturanthropologie orientierte Exegese erzielen kann, wird in zwei Skizzen gezeigt, die uns das ältere Israel als kriegerische Kultur und das klassische Israel der Propheten als nativistische Kultur verstehen lassen. Die geistige Welt des kriegerischen Israel wird an der Gestalt Simsons verdeutlicht (Ri 13-16). Die vergleichende Anthropologie von G. Dumézil lenkt den Blick auf die Auseinandersetzung traditioneller Kulturen mit dem gesellschaftlich isoliert agierenden Krieger, der sich den sozialen Normen verschließt. Mit drei exemplarischen Sünden gegen die Regeln von Wirtschaft, Kampf und Autorität verstoßend, schließt sich Simson von der Gesellschaft aus, so dass ihm nur der Tod bleibt. Die Religionsgeschichte des klassischen Israel folgt einem aus nativistischen Bewegungen bekannten Verlauf: In einer Situation der politischen Krise (Kolonialisierung Palästinas durch altorientalische Großmächte) kommt es zu einer prophetischen Umkehrbewegung, die durch Besinnung auf distinktive Werte der traditionellen Kultur (exklusive Verehrung des einen Gottes) eine große politische Wende erhofft. Faktisch tritt diese Wende nicht ein, doch eine neue Religion entsteht: das monotheistische Judentum.
Personen: Lang, Bernhard
Lang, Bernhard:
Evangelische Theologie: Von der kriegerischen zur nativistischen Kultur : das alte Israel im Lichte der Kulturanthropologie / Bernhard Lang. - 68, 2008. - S.430-443
Einheitssacht.: Kulturanthropologische Exegese