Ein Wörterbuch zur Bibel, das vor allem in die Lebenswelt der damaligen Zeit einführt, ist an sich zu begrüßen, denn es füllt durchaus eine Lücke im Bereich der Handbücher. Dem Editorial ist zu entnehmen, dass den Herausgebern "der befreiungstheologische, der feministische und der christlich-jüdische Diskurs" (S. X) besonders wichtig ist. Dieser Hinweis erklärt z. B., warum bisweilen die rabbinische Literatur stärker einbezogen wird, frauenspezifische Themen einen guten Raum einnehmen und viel Augenmerk auf die gesellschaftlichen Mechanismen der Unterdrückung gelegt wird. Das Wörterbuch bespricht ca. 260 Begriffe, wobei sachverwandte in der Regel von denselben Autoren verfasst sind. Soweit möglich sind Fachleute aus dem Alten und dem Neuen Testament zusammengespannt. Die einzelnen Einträge sind meist knapp gehalten, die Information aber ist präzise und umfassend. In die Darstellung der Sachverhalte sind die archäologischen Ergebnisse eingearbeitet und manchmal mit hilfreichen Skizzen und schwarz-weiß Abbildungen erläutert. Die Situation im Alten Orient insgesamt ist oft thematisiert. Ein Blick auf die symbolische Verwendung - soweit gegeben - steht am Ende, benützte und weiterführende Literatur rundet die einzelnen Beiträge ab. Wenn man die Anlage des Wörterbuches genauer ansieht, dann ergibt sich m. E. jedoch eine gewisse Spannung zwischen der Zielrichtung, die Lebenswelt der Menschen in biblischer Zeit darzustellen, und der alphabetischen Auflistung der Begriffe. Letztere bringt es mit sich, dass sachverwandte Bereiche oft befremdend auseinandergerissen erscheinen. Nimmt man beispielsweise den Begriff Ackerbau, dann wundert man sich, warum dieser getrennt behandelt wird, wenn später noch die Begriffe "Landwirtschaft"; "Saat/Ernte"; "Kulturpflanzen" (diese wiederum getrennt von den "Wildpflanzen") und - nicht unwichtig im Zusammenhang mit Ackerbau - "Klima" kommen. Eine für den letzteren Begriff wichtige Niederschlagskarte findet sich allerdings nur beim Stichwort "Landwirtschaft". Da letztlich kein israelitischer Bauer ohne Vieh gelebt haben kann, so wäre im Sinne einer Darstellung der Lebenswelten eine Kombination mit "Viehwirtschaft" sinnvoll; es genügte auch ein Verweis in der deutlichen Form wie beim Stichwort "Haustiere", wo fettgedruckt auf das Stichwort "Viehwirtschaft" verwiesen wird (255). Leider gibt es sonst kaum so deutliche Hinweise auf zusammengehörende Lebensbereiche. Zahlreiche Beispiele könnten angeführt werden, genannt sei einmal der Bereich "Arbeit", zu dem wohl auch die Berufe u.a.m. gehören. Beim Stichwort "Beruf" findet man eine Liste der Stein-, Holz- und Metallarbeiter, doch daneben gibt es einen eigenen Eintrag für "Metalle/Metallarbeiter" ohne Bezug zur genannten Liste. Warum darüber hinaus der Begriff "Handwerk", ja sogar jener zu "Verfemte Berufe", eine eigene Rubrik brauchen und nicht unter "Beruf" laufen können, oder wenigstens fettgedruckt vernetzt sind, ist nicht recht einzusehen. Der Lebensbereich "Ernährung" ist ebenfalls ohne besondere Verbindung zu verwandten Teilbereichen, z. B. "Brot" oder "Nahrung", erläutert; hier ist am wenigsten nachvollziehbar, warum die Speisegesetze nicht bei den Stichwörtern "Essen, gemeinsames" oder "Essensgewohnheiten" vorkommen; sind sie nicht ein wesentliches Moment für diese? Da zudem verwandte Begriffe meist ohnehin von denselben Autoren beschrieben werden, versteht man nicht, warum es nicht ein besseres Verweissystem gibt. Ein Verzeichnis der größeren Lebensbereiche mit den entsprechenden Einzelbereichen (und den gemeinsamen Verfassern!) am Anfang des Werkes wäre wesentlich nützlicher gewesen als das umfangreiche Sachregister am Ende, das kaum Zusammenhänge erkennen lässt. Wie unter diesen Gegebenheiten die Benützer/innen des Wörterbuches ein breiteres Verständnis der Lebensverhältnisse mit ihren Zusammenhängen gewinnen sollen, erscheint mir fraglich. Mehr 'Lebenswelten' und weniger 'Wörterbuch' hätte dem Ziel des Werkes gut getan. Auch die Aufmachung und Bebilderung (vom Preis ganz zu schweigen!) kann sich mit ähnlichen neueren Hilfsmitteln zur Bibellektüre (z. B. Herders Neues Bibellexikon - vgl. ThPQ 157 [2009], 205f.) nicht messen. *Theologisch-praktische Quartalschrift* 4/2009 Franz Hubmann
Personen: Schottroff, Luise Cruesemann, Frank Hungar, Kristian Janssen, Claudia
Ca 1.1 Soz
Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel / Frank Crüsemann... (Hg.). - 1. - Gütersloh : Gütersloher Verlagshaus, 2009. - XII, 775 S. : zahlr. Ill.
ISBN 978-3-579-08021-5 fest geb. : 68,--
Ca 1.1 Bie >S - Buch