Geschmückt mit fremden Federn. (DR) In diesem außerordentlich gut erzählten Erstlingswerk hat man es mit narzisstischen Selbstdarstellern und verborgenen Genies im Kunstbetrieb der Zwischenkriegszeit zu tun: Ein desillusionierter Musiklehrer, nach dem Ersten Weltkrieg seiner Arbeitsstelle, seiner Ehefrau und seiner zweiten Nasenhälfte beraubt, macht im abgeschiedenen Dorf Liebwies eine herausragende Entdeckung für die Musikwelt. Ein Kunstmäzen lässt sich in seiner Trauer um seine Ehefrau blenden und erwacht zu spät aus seiner traumwandlerischen Selbsttäuschung. Eine naive Schönheit vom Land mutiert zum Star einer Oper, obwohl sie keinerlei Talent hat. Eine von allen unterschätzte Künstlerin bleibt in der Erinnerung so unscheinbar, wie ihr Auftreten war. Ein selbstverliebter Dichter, der in einem - äußerst kurzen - Moment der Klarheit erkennt, dass seine Kunst so gehaltvoll und tragfähig wie eine "alte, leere Einkaufstüte" ist, wird zum gefeierten Komponistengenie à la Wagner. All diese Figuren (und noch mehr!) haben ihren schillernden Auftritt in Irene Diwiaks Debütroman, der einen herrlich bösen Blick auf den Kunstbetrieb wirft und die Frage nach wahrer Schönheit stellt. Es sind Figuren, die einem im Gedächtnis bleiben. Diwiak hat sie mit großer Sorgfalt gezeichnet, sie mit skurrilen Eigenheiten ausstaffiert, ihnen Leben eingehaucht, sie zu Unikaten gemacht. Virtuos und stimmgewaltig fügt die junge Autorin einzelne Charakterstudien zu einem detailliert ausgemalten Zeitpanorama zusammen, in dem zwei Frauen im Zentrum stehen: eine betörend schön und überschätzt, eine blass und hochbegabt. In ihrem Streben nach Glück sind sie tragisch miteinander verbunden. Eine bemerkenswerte neue Erzählstimme aus Österreich. Allen Büchereien zu empfehlen!
Personen: Diwiak, Irene
Diwiak, Irene:
Liebwies : Roman / Irene Diwiak. - Wien : Deuticke, 2017. - 334 S.
ISBN 978-3-552-06347-1 fest geb. : ca. € 22,70
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: SL - Buch