Quelle: Pool Feuilleton; Der Reiz von Kriminalerzählungen liegt vor allem darin, dass sie zeigen, wie jede mögliche oder unmöglichen Situation entgleisen und zu einem Kriminalfall werden kann. Gerade Österreich, das Land der Dauerentgleisungen, entwickelt sich zunehmend zu einem Paradies für Kriminalschriftstellerinnen. Herbert Dutzler, der immer wieder als die Kriminal-Seele Österreichs bezeichnet wird, deutet in den vierzehn Kriminalgeschichten an, woraus das Land besteht, wenn man seinem Geflüster zuhört: aus verzwickten, verdrossenen und verdroschenen Kleinkrämerseelen, die sich durch den Alltag retten müssen. So kaputt kann es freilich gar nicht zugehen, dass nicht einer der Beteiligten lachen müsste, und sei es nur der Leser. Im Fall von der Marillenmarmelade erweist sich eine Schwiegermutter als so böse, dass man als Leser innigst darum fleht, der Erzähler möge sie umbringen, was dieser dann auch macht. Ein ideales Ambiente für einen seltsamen Tod bieten immer die ÖBB, im konkreten Fall wird ein Modell betäubt, so dass es mit dem Railjet durch Innsbruck durchfährt, statt wie geplant auszusteigen. Selbstverständlich ist die Frau tot, als sie in Vorarlberg beim Aufräumen entdeckt wird. Pisser ist nicht nur vom Namen her ein idealer Held, er saugt auch gleich unsere Sympathien auf, weil er sich als gemobbter Jugendlicher darstellen muss, der von den Kameraden in einer Hütte eingesperrt wird und sich in die Hosen pisst. Freilich sinnt er auf Rache, was ihn sehr sympathisch macht. Oft macht es gerade diese Ich-Perspektive aus, dass das Unvorstellbare völlig logisch wird, man wird als Leser geradezu gezwungen sich in die Lage des Erzählers zu versetzen und ein Verbrechen zu begehen. Ein perverser Sanitäter steht in Verdacht, der berüchtigte Sexattentäter zu sein. Aus der Sicht einer Polizeibeamtin erfahren wir, wie toll ein Verbrechen aus der Sicht des Lockvogels ist, den die Beamtin darstellt. Bei dieser Geschichte ist man sich nicht sicher, ob der unkorrekt gegenderte österreichische Leser sich nicht doch auf die Seite des Sexmonsters und gegen die Beamtin stellt. Das ist nämlich das Raffinierte an Herbert Dutzlers Fällen, dass sie als Fallen ausgelegt sind. Man liest die Geschichten wie Butter und haut sich ungehemmt auf die Oberschenkel, ehe es dann zu wirken beginnt, das schlechte Gewissen, das in uns steckt. Gerade weil die Fälle so ungeschminkt aus dem Alltag oder zumindest der kleinformatigen Alltags-Zeitung gegriffen sind, erwischen sie jeden von uns. Als Tanzschüler kriegt man das Kompliment für die Tanzpartnerin nicht hin, auf der Hütte als Saisonarbeiter kriegt man keine Erotik zusammen, weil der Fluch der Mutter zu groß ist, am Christkindlmarkt werden die Bremstrommeln in der Glühweinkanne so heiß, dass man bei vollem Bremsversagen in den Weihnachtsmarkt rasen muss. Alles, was wir im Chronikteil zum Frühstück verzehren, ist letztlich ein Stück Dutzlerscher Krimi, bei dem wir mit Freude mitspielen und die Rolle des Ich-Erzählers übernehmen. - Eine sehr österreichische Seelenkunde. Helmuth Schönauer
Rezension
Personen: Dutzler, Herbert
DR.D Dut
Dutzler, Herbert:
Bär im Bierkrug, Gott und Teufel : vierzehn Kriminalgeschichten / Herbert Dutzler. - Innsbruck : Haymon Verl., 2016. - 173 S.
ISBN 978-3-7099-7232-8
Kriminalromane - Buch