Messianische Erlösungsgedanken auf die Spitze getrieben. (DR) Was ist das? Eine große Satire? Eine bizarre Farce? Schwarzer Humor? Jedenfalls geht es um eine Obsession, die den Schweizer Jugendlichen Xavier Radek konsequent seine Idee durchführen lässt: Als er entdeckt, dass sein Großvater in einem Konzentrationslager als Täter schuldig wurde, will er dafür büßen. Zum Entsetzen seiner Familie sucht er nicht nur Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Basel, wo er sich als assimilierter Jude ausgibt und die Freundschaft und Zuneigung des orthodoxen Gleichaltrigen Awrommele erlangt, sondern er lässt sich auch von einem mehr als fragwürdigen Mohel beschneiden. Das kostet ihn fast das Leben und einen Hoden. Letzterer wird ihn von nun an - konserviert in einem Glas - ständig begleiten und später als Messias verehrt werden. Seiner Obsession tut alles keinen Abbruch, er versteht sich zunehmend als Tröster der Juden. Konsequent begibt er sich nach der Zwischenstation Amsterdam mit seinem promiskuitiven Geliebten Awrommele nach Israel, wo die Geschichte immer mehr phantastische Züge erhält. Diese Mission wird - als Parallelgeschichte zu Hitlers Biografie - zum Desaster. Daneben gibt es noch etliche in Verbindung damit stehende Geschichten, die ebenfalls nicht an Tragik und Komik entbehren, etwa die jeweiligen Familiengeschichten der beiden Protagonisten. Sprachlich ein Hochgenuss, inhaltlich starker Tobak, politisch-religiös nicht korrekt und auch deswegen wohl so faszinierend. Trotz aller phantasmagorischer Elemente auch sehr konkrete Bezüge, etwa zum Verhältnis Palästinenser und Israelis. Für literarisch versierte und politisch interessierte LeserInnen. *bn* Fritz Popp
Personen: Grünberg, Arnon
SL Grünb
Grünberg, Arnon:
¬Der¬ jüdische Messias : Roman / Arnon Grünberg. Aus dem Niederländ. von Rainer Kersten. - Zürich : Diogenes-Verl., 2013. - 637 S.
ISBN 978-3-257-06854-2 fest geb. : 24,90
Schöne Literatur - Buch