Es ist eine klassische Außenseitergeschichte, die dieses Bilderbuch rund um die zentrale Figur eines Bauernhofkindes erzählt. Weil Eilert Fidi Cornelius, genannt Ei, nach Kuhstall riecht, will niemand aus der Klasse neben ihm sitzen, als die 2b mit dem Zug zum Meer fährt. Also ist da Platz für eine Katze und deren Reisebeutel samt Dose mit leckerem Hackfleisch. Und alsbald steht dem einsamen, still schniefenden Ei der Mund weit offen, denn die erst so ruhig und sanft wirkende Katze faucht den Schaffner wild an, als der eine Fahrkarte verlangt. „Ihre Zähne blitzten auf. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen und ihr Schwanz peitschte hin und her.“ Dürfen denn arme Hunde oder Katzen nicht auch zum Meer? Dort angelangt gibt‘s ein Gespräch in den Dünen, der kleine Ei erzählt von seinem Kummer, wie gemein die anderen zu ihm sind, dass der Stallgeruch für ihn auch Zuhause-Sein bedeutet und dass er mit dem Boot nach Kanada will, sobald er groß ist. Die Katze hört still zu und schnurrt „wie sieben Tiger“. Leise machen sich Zuversicht und Glück breit und auf der Rückfahrt schert sich Ei nicht mehr um die stichelnden Sprüche der anderen Jungs, denn neben ihm sitzt nun ein Mädchen „mit Augen wie Rabengefieder“. Geschickt und immer wieder überraschend erzählt Will Gmehling von Aufbruch und Veränderung in einer Art modernem Märchen mit sprechender Glückskatze und vielen schönen sprachlichen Bildern. Die Illustrationen von Isabel Pin verweigern zwar den Blick aufs Meer, schaffen dafür aber mit dicken, zerfließenden Wasserfarben-Pinselstrichen viel Atmosphäre und ein Gefühl des Im-Moment-Seins. Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Bilderbuch mit großen Weisheiten in schlichten Sätzen: „Das Meer macht alles neu. Es tut immer, was getan werden muss.“
Personen: Pin, Isabel Gmehling, Will
Standort: BB
Gmehling, Will:
Bahnhof am Ozean / Will Gmehling. Ill. von Isabel Pin. - München : Tulipan, 2021. - [30] S. : überw. Ill.
ISBN 978-3-86429-474-7 fest geb. : EUR 15,50
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