Wie ticken Artisten, wenn sie unter sich im Hotel sind? - Wenn die Zuschauer nach Hause gegangen sind und ihr Divertimento (Vergnügen) gehabt haben, müssen sich die Artisten mit sich selbst beschäftigen. Dabei gehen sie offensichtlich genau so leidenschaftlich und sorglos mit einander um wie das Publikum es offensichtlich tut, das sie soeben nach Hause entlassen haben. In einem Amsterdamer Hotel in den fünfziger Jahren steigen regelmäßig Artisten bei ihrer Durchreise ab, so wie andernorts vielleicht Handlungsreisende oder Kongressteilnehmer absteigen. Die Artisten haben längst untereinander ihre Reviere abgesteckt, jeder tut, was er kann, und auch das Dreiecksverhältnis, das bald einmal aufbricht, hält sich letztlich an schön austarierte Spielregeln zwischen romantischem Feuer und Schmierenkomödie. Ein Zauberer und ein Kegelwerfer rittern um die Gunst des polnischen Flüchtlingsmädchens Dasy, das mit allerlei Kunststücken in der erotischen Arena Fuß fasst. Das Divertimento plätschert lautlos dahin, wie man sich eben als Leser nach einem arbeitsreichen Tag noch etwas Lektüre gibt, wobei der Ausgang egal ist, weil er ohnehin in Schlaf endet. Die Zeitgeschichte ist seltsam fern, es gibt allerhand Flüchtlinge, das Leben ist karg aufgestellt, die Lebenslust der Menschen nach dem Krieg wieder halbwegs geweckt. Aus der heutigen Zeit erzählt wirken diese Ereignisse seltsam patinös und von alten Erzählungen abgekupfert. Zwischendrin werden die Kunststücke mathematisch genau beschrieben, der Zeitfaktor ist das Entscheidende bei einem Kunststück, vielleicht darf deshalb nicht allzu viel Zeitgeschichte in den Auftritt eines Artisten fließen. Oder vielleicht ist ein gutes Dreieckverhältnis gar ein Stück Artistik, und man muss den jeweiligen Berührungspunkt ruhig stellen, damit nicht allzu viele Emotionen entstehen. Der Roman wirkt seltsam geklont und künstlich. Alle Ereignisse sind nach einem glatten Handbuch des Designs gestrickt, jede Aufregung ist so ausgetestet, dass sie auch mit einem Herzschrittmacher spielend zu überleben ist. Dieses Buch kann man am ehesten jemandem empfehlen, den man noch überhaupt nicht kennt und vielleicht auch nicht näher kennen lernen will. Mit diesem Buch kann nämlich überhaupt nichts schief gehen, aber es passiert natürlich auch nichts, wenn man es liest. *Helmuth Schönauer*
Personen: Moor, Margriet de
Standort: U Bücher
Moor, Margriet de:
Der Jongleur : ein Divertimento / Margriet de Moor. Aus dem Niederländ. von Helga van Beuningen. - 1. [Aufl.]. - München [u.a.] : Hanser, 2008. - 158 S.
ISBN 978-3-446-23000-2 fest geb. : ca. Eur 17,40
Belletristik, Filme, Hörbücher - Signatur: U Moor - Buch