Schlafzimmergeschichten und Weltgeschichte zwischen Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg. (GK) Die Jahre zwischen 1929 und 1939, nach dem Ende der "goldenen Zwanzigerjahre" die Zeit der Etablierung der NS-Schreckensherrschaft in Deutschland, betrachtet Illies unter einem besonderen Aspekt - dem Beziehungsaspekt. Anhand unzähliger und unterschiedlichster Liebesverhältnisse von Prominenten und vor allem von Kulturschaffenden geht der Autor den verschiedensten Spielformen von Begehren, Leidenschaft und Sehnsüchten nach. Er folgt den Spuren der Machos wie Brecht oder Tucholsky, den Exzessen einer Marlene Dietrich oder von Gustav Gründgens, den unglücklich Verliebten, den Dreiecksbeziehungen, den Polygamen und der ganzen Palette sexueller Orientierungen. So entsteht ein Patchwork des Begehrens, das angesichts der politischen Entwicklungen wie ein Tanz auf dem Vulkan wirkt. Ob in Berlin oder in den verschiedenen Orten des Exils - Illies legt eine unglaubliche Fülle an dokumentiertem Beziehungs- und Gefühlsmaterial vor. Den Liebesbegriff spannt er dabei ganz weit: von der freien Liebe über die Monogamie zur Polyamorie, von der gesellschaftlich tolerierten Form bis zur amour fou. Die Vielzahl der häppchenweise dargebotenen Liebesgeschichten und Beziehungsdramen, dramaturgisch effektiv arrangiert und ein schier unübersichtliches Beziehungskarussell, erstaunt und verwirrt zuweilen, ist aber auch voller Leseanreize und wirkt vor dem aufkommenden politischen Unheil oft umso tragischer oder auch noch frivoler. - Ein Buch, an der Kippe zum Voyeurismus, das aber als Chronik verschiedener Formen des Liebesunglücks (von geglückten Beziehungen ist kaum die Rede) überzeugt.
Personen: Illies, Florian
Illies, Florian:
Liebe in Zeiten des Hasses : Chronik eines Gefühls 1929-1939 / Florian Illies. - Frankfurt am Main : S. Fischer, 2021. - 431 Seiten
ISBN 978-3-10-397073-9 Festeinband : EUR 24,70 (AT)
Schöne Literatur - Signatur: Illie - Buch