Protokoll der behutsamen Annäherung zwischen einer deutschen Familie und einem syrischen Flüchtling. (BO) Eine vierköpfige deutsche Mittelstandsfamilie (der Vater renommierter, mehrfach ausgezeichneter Journalist der Qualitätswochenzeitung "Die Zeit") entschließt sich im Dezember 2015, ein Zimmer in ihrem Einfamilienhaus am Rande Hamburgs dem 24-jährigen syrischen Flüchtling Amir zur Verfügung zu stellen. Ein gutes halbes Jahr lebt nun der aus einer politisch und religiös streng regulierten Welt kommende junge Mann mit der liberal und sozial eingestellten Familie unter einem Dach. Nach einigen Monaten, in denen sich beide Seiten vorsichtig mit den jeweils anderen Positionen und Lebensgewohnheiten vertraut gemacht haben, beschließen der Familienvater Henning und der syrische Mathematik- und Informatikstudent Amir, gemeinsam ein Buch darüber zu schreiben. Das Ergebnis ist ein außergewöhnliches Dokument in dialogischer Form! Abwechselnd formulieren sie ihre Erlebnisse, Diskussionen und Wahrnehmungen während dieser Zeit. Da gibt es viel Geglücktes, aber auch Enttäuschendes, Verständnis und Misstrauen. Letztlich aber zeigt sich: Wenn Integration gelingen soll, dann nur im ehrlichen Austausch, mit einer Offenheit auf beiden Seiten. Eine aufgeklärte Gesellschaft wie unsere, in der alles in Frage gestellt werden darf, wirkte für den streng erzogenen Muslim anfangs wie ein Schock. Die Regeln der Tradition und der Religion galten für den jungen Mann als unantastbar, und Kritik an den Herrschenden war bis zum Arabischen Frühling sowieso ein absolutes Tabu. Dass sich Liebespaare ungeniert in der Öffentlichkeit küssen, dass der Mann mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und die Frau das Auto nimmt, versteht der Flüchtling nicht. Und der deutsche Journalist staunt darüber, dass ein Student der Naturwissenschaft vom "Urknall" und von der Evolutionstheorie nichts hält. Aber nach dieser prägenden Zeit der langsamen Eingewöhnung in Deutschland wundert sich Amir, wie er selber sich von den Diktaten seiner Erziehung ein wenig befreit. Und die gastfreundliche Familie hat die Nagelprobe für ihre persönliche "Wir schaffen das"-Aktion bestanden. Ungemein sachkundig aufbereitet und äußerst spannend! Ein eminent wichtiges Buch in der aktuellen Debatte und breit zu empfehlen
Personen: Baitar, Amir Sußebach, Henning Bender, Larissa
Standort: Biografien
PR.QGW Baita
Baitar, Amir:
Unter einem Dach : ein Syrer und ein Deutscher erzählen / Amir Baitar. - 1.Auifl. - Reinbek : Rowohlt, 2016. - 190 S. - aus dem Arabischen übersetzt
ISBN 978-3-498-06445-7 Festeinband : EUR 20,60
Erlebnisberichte - Buch