Vom (Über)Leben einer Frau nach einer Vergewaltigung.
Rezension
Liv ist Osloerin, Konsumentin, Pflegerin, Mutter und Ehefrau - und sie wurde vor Jahren vergewaltigt. Ihre Familie weiß davon nichts, und das ist Absicht: mit aller Kraft wahrt Liv den Schein, ein perfektes Leben zu führen. Hauptsächlich für sich selbst. Während äußerlich alles stimmt, steigt innerlich jedoch ein Sturm auf: Stets kreisen ihre Gedanken um ihre Sicherheit, ihren Status als Frau, die Unversehrtheit ihrer Kinder, ihr gepflegtes Aussehen und die Frage, wie sie weitermachen soll. Als dann auch noch in dem Pflegeheim, in dem sie arbeitet, eine neue Patientin eingeliefert wird, deren prominenter Angehöriger vor Jahren wegen einer Vergewaltigung angeklagt worden war, bröckelt es in ihr. Die Angst kocht hoch, das Trauma, das sie innerlich so umsichtig eingetütet und wegsortiert hatte, lässt sich nicht mehr ignorieren. Und Liv beginnt, Wege zu suchen, sich dem zu stellen, was ihr geschehen ist. "Macht" erzählt auf kluge, prägnante Weise von einem Aspekt sexualisierter Gewalt, der selten im Fokus steht: das Trauma Überlebender. Stilistisch arbeitet Furre mit kurzen Sätzen, schürt so den Eindruck eines Gedankenstroms, der auf beachtliche Weise den emotionalen Stress, die Wut und die Hilflosigkeit vermittelt, die ihre Protagonistin empfindet.
Eine herausfordernde, aber wichtige Lektüre.Rezensent: Mara Becker
Personen: Hippe, Karoline Furre, Heidi
Furre, Heidi:
Macht : Roman / Heidi Furre. Dt. von Karoline Hippe. - Köln : DuMont, 2023. - 173 S. ; 22 cm. - Aus d. Norw.
ISBN 978-3-8321-8222-9 geb. : EUR 22.00
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Fur - Buch